Beton – Ein Experiment

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Architekturpreis Beton 2013
«Betonsuisse», die 2006 durch vier Organisationen der Baustoffindustrie gegründet wurde, schreibt alle vier Jahre den Architekturpreis für Betonbauten aus. 2013 bereits zum zehnten Mal. Der Wettbewerb soll das Schaffen mit dem Werkstoff Beton fördern. Zudem soll die Ausschreibung die vielfältigen gestalterischen Möglichkeiten von Beton aufzeichnen. Das Augenmerk der Jury aus Architektur und Bauingenieurwesen unter der Leitung von Annette Spiro liegt nebst der gesamtheitlichen Betrachtung, der Form und Gestaltung auch auf dem Tragwerkskonzept, der materialgerechte Konstruktion und der Qualität der Ausführung. Der Preis ist mit 50 000 Franken dotiert. Zum ersten Mal wurde heuer ein Förderpreis für Jungarchitekten ausgeschrieben. Dieser ist mit 10 000 Franken dotiert. 140 Eingaben hat die Jury 2013 beurteilt.
Den Preis erhielt das Basler Architekturbüro Buchner Bründler Architekten für das Wohnhaus Bläsiring in Basel und die Casa D Estate in Linescio. Ausgezeichnet wurde das Architekturbüro Staufer & Hasler Architekten AG aus Zürich mit dem Bau des Bundesverwaltungsgerichts in St. Gallen. Desweiteren wurde das Basler Architekturbüro Silvia Gmür Reto Gmür Architekten für die Realisation des Casa Ai Prozzi in Minusio ausgezeichnet. Der Förderpreis für Jungarchitekten wurde dem Zürcher Architekturbüro Time. / Lukas Lehnherr zugesprochen. Dies für die Realisierung der Fünf Häuser in Rapperswil. Die Ausstellung zeigt alle fünf preisgekrönten Gebäude auf grossen Tafeln und mit filigranen Modellen, die selbstverständlich aus Beton gegossen sind. Dazu erschien ein dreisprachiger Katalog. Die Preisverleihung fand am 25. September 2013 im Hauptgebäude der ETH Zürich statt.
Zum dritten Mal übernahm das Schaffhauser Architektur Forum die Ausstellung für Schaffhausen fand und mit dem Kreuzgang beim Museum zu Allerheiligen einen Ausstellungsort, der zwei Architekturwelten aufeinanderprallen liess. Und gerade deshalb ideal war.


Beton – Ein Experiment
Unmittelbare Materialität, handwerkliche Qualität und eigenwillige Raumkonzepte zeichnen die Bauten der Basler Architekten Daniel Buchner und Andreas Bründler aus. 2013 erhielten sie von Betonsuisse den Architekturpreis Beton 13.
Bülend Yigin, Associate, referierte im Museum zu Allerheiligen und stellte die beiden Projekte vor.
Von Hand geschalt und roh belassen fühlt sich Beton kühl und rau an. Wird er hingegen poliert, ist seine Oberfläche glatt wie Glas. Beton ist ein Werkstoff, der viele Facetten kennt. Ein Werkstoff, der zum Experimentieren einlädt. Diesem Experiment haben sich die Architekten Daniel Buchner und Andreas Bründler aus Basel verschrieben. Für sie ist jede frisch ausgeschalte Betonwand ein visuelles Ereignis. Es ist ein gestalterisches Mittel, das sie begrüssen. An Beton schätzen die beiden Architekten vor allem die handwerklichen Spuren, die dieser Baustoff hinterlässt. Ihr Architekturbüro, das heute rund 35 Mitarbeiter beschäftigt, wurde nun für ihren Umgang und ihre persönliche und eigenwillige Ausdrucksform mit diesem Werkstoff ausgezeichnet.
Handwerkliche Qualität und eigenwillige Raumkonzepte
Zwei Bauprojekte, die sich durch ihre unmittelbare Materialität, handwerkliche Qualität und eigenwillige Raumkonzepte auszeichnen, haben die Architekten eingereicht. Ein fünfeinhalbgeschossiger Neubau am Bläsiring in Basel und einen Umbau eines zweihundert Jahre alten Steinhauses im kleinen Dorf Linescio, das im Rovana Tal, rund 25 Kilometer nordwestlich von Locarno, liegt.
Funktion zeichnet sich an der Fassade ab
Das neue schmale fünfeinhalbgeschossige Wohnhaus am Bläsiring ragt wie ein langer Zahn über die angrenzenden Häuser aus dem Jahr 1870 hinaus. Der Neubau bricht radikal mit der direkt angrenzenden baulichen Struktur. Die Nachbarn waren darüber nicht gerade begeistert, als sie erfuhren, dass sich die neuen Hausbesitzer für einen Neubau entschieden haben, erzählte Yiging. Sie sahen das Idyll ihres Quartiers gefährdet und sammelten darum Unterschriften, die den Bau – «eines Hochhauses aus Beton und Glas» – verhindern sollten. Der Kritik zum Trotz kann das Haus heute als gelungener Beitrag zur Verdichtung der Stadt gesehen werden. Zudem verleiht das Haus der Strassenzeile eine lebendige Ansicht, denn die ineinandergreifenden Räume zeichnen sich auf der Fassade sowohl horizontal als auch vertikal ab. Damit ist die Nutzung von Aussen ablesbar.
Einen Bezug zum Aussenraum schaffen
Zwei Wohnungen haben die Architekten auf diesen fünfeinhalb Geschossen realisiert. Erschlossen werden die Wohnungen durch ein separates Treppenhaus. Die untere Wohnung, die das Erdgeschoss und zwei weitere Etagen umfasst, zeichnet sich durch die Nutzung eines grosszügigen Hinterhofes aus. Eine raumhohe Drehtür führt in den Garten und verbindet damit den durchgehend offenen Innenraum mit dem Aussenraum. Die Räume, sowie die funktionellen Einrichtungen, wie zum Beispiel die Küche und das Bad, sind in Beton realisiert worden. Einen dezenten Kontrast zum Beton bilden die vereinzelten Holzverschalungen. Ein weiteres auffallendes Element sind die raumhohen Fenster, die einen direkten Bezug zur Umwelt schaffen, wie Yigin an der Ausstellungseröffnung ausführte.
Das Haus im Haus
Das zweite Projekt, das den Basler Architekten zum Architekturpreis verhalf, ist die Casa d’Estate in Linescio. Ein zweihundert Jahre altes Steinhaus im Tessin, das die Architekten für sich selbst umgebaut haben. Das Haus besteht aus einem Wohnhaus mit einem Kellersockel, der sich weit in den steilen Hang hineinfrisst. Quer zum Hauptgebäude steht ein Holzbau mit einem Steinsockel. Einst wurden dort Kastanien gedörrt. Das Haus im Tessin stand fünfzig Jahre lang leer, bevor die Architekten das Gebäude komplett aushöhlen und die Zwischendecke entfernen liessen, um das Haus danach im Innern Schicht für Schicht mit Beton auszugiessen.Wie ein zweites Haus im Haus. Dadurch entstand eine Wechselwirkung zwischen altem Natursteinmauerwerk und Beton. Zwei Epochen, zwei Materialien die sich heute aneinanderschmiegen. Eindrücklich dokumentierte das Architekturbüro diesen langwierigen handwerklichen Arbeitsprozess in Bildern, die Yigin an der Ausstellungseröffnung zeigte und mit vielen interessanten Anekdoten versah. Von Aussen ist der Umbau heute kaum sichtbar. Lediglich die Gartentür und der Kaminlassen den Eingriff erahnen. Im Innern sieht es hingegen anders aus. Böden, Wände, Decke, auch die Badewanne und die Feuerstelle sind aus Beton. Das alte Steinbauhaus haben die Architekten in ein Sommerhaus verwandelt. Durch den Verzicht von Heizung und isolierten Fenstern war es möglich die Fassade in ihrer Fasson zu belassen. Raumhohe Faltläden aus Holz verschliessen das innere Haus. Sind sie geöffnet geben sie den Blick auf die alte Steinmauern, die äussere Hülle, frei.