SHED versus SOL: Schulhausprojekte auf dem Scharf-Prüfstand

Text: Caspar Heer
Bilder: Christian Wäckerlin
Die Abstimmung vom 17. April ist eine Wahl zwischen zwei Schulhaus-Projekten – und auch eine Qual, denn das Abstimmungsmagazin lässt manche Fragen offen. Eine Scharf-Veranstaltung suchte Antworten und bot Entscheidungshilfe aus erster Hand.
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Im Schulhausbau ist die Variantenabstimmung eine Premiere, und viele Stimmberechtigte fühlen sich überfordert. Scharf lud deshalb die Architekten der beiden Schulhaus-Projekte und weitere Fachleute am 30. März 2016 zu einer öffentlichen Veranstaltung ein.
Die Debatte um ein neues Breite-Schulhaus wird sehr emotional geführt. Christian Wäckerlin, Präsident des Schaffhauser Architektur Forums, betonte deshalb: „Wir geben uns Mühe, beide Seiten transparent darzustellen“. Kein Thema in dieser Veranstaltung war der höchst umstrittene politische Prozess, der dazu führte, dass dem Siegerprojekt eines Architekturwettbewerbs (SHED) nachträglich ein zweites Projekt (SOL) gegenübergestellt wurde.
SHED, das Schulhaus mit dem gezackten Dach, wurde vom Winterthurer Büro Stutz Bolt Partner Architekten AG ausgearbeitet, beim Podium vertreten durch den Architekten Dario Oechsli. Es hat sich 2011 in einem öffentlichen Projektwettbewerb mit Präqualifikation, für den sich 40 Büros beworben hatten, in der 2. Stufe gegen 8 andere Projekte durchgesetzt, wurde aber vom Grossen Stadtrat (Stadtparlament) als zu teuer zurückgewiesen. Darauf wurde es abgespeckt. Kostenpunkt laut Abstimmungs-Vorlage: 12.5 Millionen Franken.
SOL entstand daraufhin im Auftrag der Baufachkommission des Stadtparlamentes. Sie beauftragte das Basler Büro Denkstatt Sarl damit, eine „gleichwertige Variante zu tieferen Preisen“ zu erarbeiten. Sarl war an der Veranstaltung vertreten durch Pascal Hentschel, Arch. Dipl.Ing., den Bauphysiker Harald Huth und Designer FH VSAI Pascal Angehrn. Kostenpunkt laut Abstimmungs-Vorlage: 10.1 Millionen Franken.
 
Die Sicht der Architekten
„Alles unter einem Hut, möglichst konzentriert, aber flexibel“, das ist laut Architekt Dario Oechsli die Essenz von SHED. Das Siegerprojekt entsprach damit am besten den Vorgaben des Architekturwettbewerbs. Das Schulhaus würde in Massivbauweise ausgeführt, weil sich diese als langlebig und im Hinblick auf spätere Erweiterungen flexibel erwiesen habe. Der Baukörper bilde ein Ensemble mit den bisherigen Schulgebäuden, betonte Oechsli. Mit dem markanten, gezackten Dach nehme es bewusst Bezug auf andere öffentliche Bauten wie jene der KSS, sei also kein Fremdkörper im Quartier. Die Schulzimmer seien so angeordnet, dass der Unterricht von aussen wenig gestört werde. Das SHED-Dach sorge für eine gute Belichtung, die Querwände im Obergeschoss seien ohne statische Probleme verschiebbar, die Begegnungszone zwischen den Zimmern bewusst grosszügig angelegt.
Worin unterscheidet sich das zweite Projekt? SOL-Architekt Pascal Anghern. „Wir haben bewusst und nicht allein aus Kostengründen einen anderen Weg eingeschlagen. Wir verteilen die Funktionen auf verschiedene Gebäude: Ein neues Schulhaus, das renovierte Hauswartgebäude (das im Gegensatz zum SHED-Projekt nicht abgerissen würde) und der neue Pavillon für ausserschulische Betreuung. Damit bleiben wir in der Massstäblichkeit der bisherigen Bauten auf dem Gelände. Dass es verschiedene Wege und Umgebungen gibt und sich die Schüler mehr bewegen können, ist aus unserer Sicht ein Pluspunkt.“ Das neue Schulgebäude ist ein modularer Holzbau, der wesentlich rascher erstellt werden könne als ein Massivbau. Die Schulzimmer seien mit Absicht nach Nordwesten ausgerichtet, also (wie bei Ateliers üblich) der direkten Sonneneinstrahlung abgewandt. Der südseitig angeordnete schmale Aufenthaltsbereich fängt dagegen in der kalten Jahreszeit die Sonnenenergie ein. Die Gruppenarbeitsräume sind verglast, was das Gebäudeinnere transparent erscheinen lässt.
 
Scharf kalkuliert
„Für praktisch das gleiche Raumprogramm hat die Stadt beim Projekt SOL rund 2.5 Millionen Franken weniger hinzublättern“, schrieb Edgar Zehnder kürzlich in den Schaffhauser Nachrichten. Er ist Präsident der Baufachkommission im Grossen Stadtrat, die das zweite Projekt initiiert hat. Sind die zwei Projekte tatsächlich gleichwertig? Architekt Roland Hofer, Scharf-Vorstandmitglied, hat Vergleichszahlen errechnet und kommt zum Resultat: Mit einer grösseren Kubatur und einem Plus von 435 Quadratmetern, also rund 15 Prozent Geschossfläche biete SHED klar mehr als SOL. „Unter dem Strich kosten daher beide Schulhäuser gleich viel.“ Edgar Zehnder warf ein, die Zahlen seien alle falsch, was Hofer energisch und mit guten Argumenten bestritt.
Weniger gut nachvollziehbar blieben seine Erwägungen, wonach Holzbauten tendenziell teurer seien als Massivbauten. Pascal Hentschel und Pascal Angehrn bestritten dies für den vorgesehenen modularen Holzbau. Ihr Büro „Denkstatt Sarl“ gilt auf diesem Gebiet als sehr erfahren und kann auf Referenzprojekte im Grossraum Basel verweisen.
Unterschiede ortete Hofer auch beim Energieverbrauch, der wegen der grösseren Gebäudeaussenhüllen beim SOL-Projekt höher ausfallen dürfte. Das bestritten die SOL-Vertreter zwar nicht. Sie sind aber trotzdem überzeugt, dass ihr Projekt energetisch mindestens gleichwertig sei: Es benötige nämlich in der Bauphase weniger graue Energie, weil ein Gebäude bestehen bliebe und das Holz für die Neubauten wesentlich ökologischer sei als Beton. Und Hentschel schob nach: „Wir erfüllen mit SOL ohne Probleme den Minergie-P-Standard“.
 
SHED räumt beim Publikum ab
Braucht die Breite überhaupt ein neues Schulhaus?“ fragte Moderator Matthias Wipf ins Publikum. Die Antwort war ein eindeutiges Ja. In der Diskussion fand das Projekt SHED den grössten Zuspruch, während nur vereinzelte Stimmen SOL lobten. Die grossen Begegnungszonen, die kompaktere Bauweise, das Mehr an Stauraum wurden als Argumente für SHED vorgebracht. Im Auditorium sassen zu einem grossen Teil Sachverständige und Lehrkräfte. Ihre Meinung dürfte also kaum für die gesamte Bevölkerung repräsentativ sein.
 
Wettbewerben Sorge tragen
Stadtrat Urs Hunziker betonte: „Was mich drückt, sind die Folgekosten für den Schulbetrieb. Der Stadtrat bevorzugt unter anderem deshalb klar die Variante SHED“. Den Vorwurf der Führungsschwäche der Politik gaben Hunziker und sein Stadtratskollege Raphael Rohner weiter: Schliesslich hätten nicht sie, sondern der Grosse Stadtrat die Variantenabstimmung aufgegleist.
So mündete die Debatte zum Schluss doch noch in ein Hick-Hack um den Prozess. Bei allen Differenzen waren sich die Anwesenden doch in einem Punkt einig: Architekturwettbewerbe tragen viel zur Bauqualität bei. Sie sind aber für die beteiligten Büros aufwendig und teuer. Deshalb ist es stossend, wenn die Gewinner leer ausgehen.
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