Bunt die Architektur, grau die Hülle für die Kunst

Bericht über den SCHARF-Mitglieder-Ausflug nach Basel zum Schweizerischen Architekturmuseum und zum Kunstmuseum Basel am 7. April 2017.
Mit der Ausstellung „Schweizweit“ zeigt das Schweizer Architekturmuseum in einer unkonventionellen Momentaufnahme die Vielfalt der neuen Schweizer Architektur ab 1990. Ein Beispiel dafür ist auch der neue Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums. Grund genug für eine Scharf-Exkursion ans Rheinknie.
Kann man die Gegenwartsarchitektur eines ganzen Landes überhaupt abbilden? Das Schweizer Architekturmuseum (S AM) wagte den Versuch. 162 Architekturbüros liessen sich auf die drei Fragen ein, die Ihnen die Ausstellungsmacher, S AM-Direktor Andreas Ruby und Kuratorin Viviane Ehrensberger, zustellten. Sie lauteten:

  1. Welches Deiner Projekte findest Du für die Schweizer Architekturproduktion am relevantesten?
  2. Welches aktuelle Projekt eines anderen Architekten findest Du dafür wegweisend?
  3. Welches vernakuläre Gebäude oder räumliche Situation findest Du inspirierend für Deine Architekturauffassung?

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Susanne Albrecht (SCHARF), Viviane Ehrenberger (S AM), Christian Wäckerlin und S AM-Direktor Andreas Ruby

Die Antworten präsentierte das S AM in grossformatigen Projektionen, denen Fotos der ungeplanten, aber inspirierenden Gebäude beziehungsweise Situationen beigestellt wurden. Ruby bezeichnete die Ausstellung als architektonisches „Road Movie“ durch die Schweiz. Richtig erschliessen lässt sich die Fülle an Informationen aber erst, wenn man den Ausstellungskatalog zur Hand nimmt. Dort finden sich nämlich auf jeweils einer Seite (statt auf drei Räume verteilt) die bebilderten Antworten der 162 Architekturbüros.
Spiegelbild der vielfältigen Schweiz
Stararchitekten wie Herzog & de Meuron oder Zumthor haben der modernen Schweizer Baukultur zu internationalem Ansehen verholfen. Doch die zahlreichen Einzelaufnahmen der Ausstellung sind wie Pixel eines grösseren und weit vielfältigeren Bildes. Es zeigt, was Schweizer Architektur heute ist: Nämlich eine Baukultur, die über den Minimalismus hinaus eine erstaunliche Bandbreite aufweist. Sie bringt laut Ruby keine dominierende oder gar einheitliche Haltung zum Ausdruck, wie das in anderen Ländern der Fall ist, sondern bleibt stark von regionalen Eigenheiten geprägt.
Eigenständige Antwort auf den Hauptbau
„Regional eigen“ ist auch der Erweiterungsbau des Basler Kunstmuseums der Architekten Christ & Gantenbein. Dies nicht, weil sie ihr Büro am Rheinknie haben, sondern wegen der zahlreichen Bezüge zum Hauptbau. Von dort führte die Architektin Ursula Hürzeler die Exkursionsteilnehmer denn auch an den Neubau heran. Der Hauptbau wurde 1936 errichtet, orientierte sich aber weniger am Modernismus als am Traditionalismus. Dem Architekten Rudolf Christ schwebte ein Gesamtkunstwerk vor, das sich an klassischen Vorbildern orientierte und in einer vielfältigen Materialwahl den Wert des Handwerks betonte. Wie haben nun Christ & Gantenbein mit ihrem Neubau darauf reagiert?
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„Der Neubau zeigt als jüngerer Bruder eine ähnliche Präsenz wie der Hauptbau“, brachte es Hürzeler auf den Punkt. Er bleibt ein eigenständiges Bauwerk, schafft aber zahlreiche Bezüge zum Hauptbau. Aussen ist das nebst der Bauhöhe der durch horizontale Schichtung ähnliche Wandaufbau. Innen wird der Vorgängerbau durch die Verwendung von grauem Marmor für die Treppen und dem handwerklich anspruchsvollen Kratzputz zitiert.
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Architektin und Kunstführerin Ursula Hürzeler vor dem Neubau des Kunstmuseums Basel

Architektur für die Kunst
Der Neubau wirkt trotz der wenigen Fenster nicht trutzig, zumindest aussen. Er schöpft seine moderne Eleganz aus einfachen Materialien, den grauen Ziegelsteinen der Aussenhaut, den verzinkten Tür- und Fenstergittern oder den Stahlblechwänden im Eingangsbereich. Die Grautöne im Innern wirken kühl, doch die Architektur nimmt sich damit zurück und lässt der Kunst den Vortritt. Aussen scheint das Grau lebendiger, tagsüber weil das unterschiedlich gebänderte Backsteinkleid seinen Schattenwurf verändert, nachts weil die wandernde LED-Leuchtschrift im oberen Fassadenbereich Farbe ins Dunkel bringt.
„Der jüngere Bruder“ ist kein Bau der grossen Gesten. Er schöpft zwar Spannung aus dem Kontrast nobler und industrieller Materialien wie auch aus einem ungewöhnlichen Grundriss, ist aber doch einfach gehalten. Seine Qualitäten liegen gerade darin, dass er sich weniger inszeniert als andere zeitgenössische Museumsbauten.
Einladungskarte Ausflug nach Basel, 7.4.2017
Bericht über das Referat von Andreas Ruby in Schaffhausen, 1.3.2017