Ein schwebendes Mobile aus Beton

Martin Valier, Bauingenieur bei Penzel Valier AG, Zürich, kam zur Eröffnung der von SCHARF im Kreuzgang des Museums zu Allerheiligen präsentierten Ausstellung „Architekturpreis Beton 17“ nach Schaffhausen. Er referierte über die Entstehung der Sporthalle Weissenstein, Bern, und konnte trotz hohem Fachniveau auch ein Laienpublikum faszinieren.

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Der Architekturpreis Beton wird seit 1977 alle vier Jahre an „zeitgenössische und inspirierende Betonarchitektur in der Schweiz und in Liechtenstein“ vergeben. Nebst dem eigentlichen Betonpreis, der 2017 an die Architektin Angela Deuber für ihr Schulhaus in Buechen/Thal, Kanton St. Gallen ging, gibt es Förderpreise und Anerkennungen für Architektinnen und Architekten, die sich innovativ mit dem Baustoff Beton auseinandersetzen. Eine dieser Anerkennungen erhielt das Zürcher Büro Penzel Valier AG für die Sporthalle Weissenstein, Bern.

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– Bauherrschaft
Die Stadt Bern und die Gemeinde Köniz taten sich zusammen für den Bau einer neuen Sporthalle, die Trainingsplatz für verschiedene Nutzer bieten und für den Spitzenclub Volley Köniz Champions League-tauglich sein sollte. Entstanden ist ein sechsstöckiger Komplex mit einer Wettkampfhalle für 2000 Zuschauer, einer Dreifach-Trainingshalle sowie Platz für kleinere Sporträume, einen Theorieraum, Garderoben, Duschen und Materialräume.
– Ausgangslage
Als Bauland diente eine ehemalige Schlammdeponie mit schützenswertem Amphibienvorkommen (dem entsprechend Sorge getragen wurde) im Umfeld eines Wohnquartiers, das nicht beschattet und keinem Lärm ausgesetzt werden sollte. Der gesamte Schlammaushub durfte nicht abgeführt werden und wurde – mit Kalk vermischt – später wiederverwendet. Weil das Grundwasser von früher belastet war, war ein Wasserablauf tabu, was nach einer Schneeschmelze während des Baus zu einem Malheur führte: Wasser sammelte sich in der Hinterfüllung an, entwässerte unkontrolliert und hob die Bodenplatten um 30 cm an. Doch auch dieses Problem liess sich lösen, und der Boden senkte sich.
Immer wieder betonte Martin Valier den Kostendruck, unter dem das Projekt stand. „Es resultierte leider eine Low-Budget-Halle, die zwar funktioniert, in der die Sportler als Nutzer aber einige räumliche Kompromisse machen müssen.“ Trotzdem lobte er den guten Dialog mit der Bauherrschaft.
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– Ein Projekt mit statischen Kunstgriffen
Die untere Wettkampfarena mit den seitlichen Zuschauertribünen wurde zwei Stockwerke tief in das Terrain eingegraben. Damit der „Fussabdruck“ möglichst klein blieb, wurde die obere Trainingshalle 90° quer darüber gesetzt. An dieser Halle hängt alles untere. Die ganzen Lasten sind auf 4 Stützen verteilt, die 28 Meter tief in den Boden gerammt wurden. Die quer dazu verlaufenden vorgespannten Hauptdeckenträger der Wettkampfhalle weisen eine Spannweite von fast 70 Metern auf. Das Erdgeschoss „schwebt“ komplett. Normalerweise baut man von unten nach oben – bei der Sporthalle Weissenstein mussten Hilfsstützen errichtet werden, weil die Stabilisierung erst mit den oberen Stockwerken wirksam wurde. Wie bei einem hochkomplexen Mobile stehen alle Bauteile in einem statischen Wirkungszusammenhang. In der oberen Trainingshalle wird das Thema des Schwebens nochmals aufgenommen. Die dunkel lasierten, sichtbaren Betonstützen tragen die oberen Geschosse quasi hängend, und die imposante Auskragung über dem Eingang hat etwas Sphärisches. Von der hellen Lasur, die den Betonfassaden eine liebliche Leichtigkeit gibt, heben sich die dunkel lasierten Tragkonstruktionen deutlich ab. Die dunkle Farbe passt, denn trotz der Erklärungen von Martin Valier über Spannseile, konische Stützen und weitere statische Kunstgriffe bleibt die ganze Tragkonstruktion – zumindest für den Laien – von aussen undurchschaubar und geheimnisvoll. Was dem ganzen Bau natürlich eine umso grössere Genialität verleiht.
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– Guter Dialog zwischen Fachleuten
Martin Valier äussert sich sehr zufrieden über die kompetente, fachübergreifende Zusammenarbeit von Architekt, Ingenieur und Bauleiter. Es war – und ist – ihm wichtig, auf der Baustelle einen guten Dialog zu haben. Sie bauten mit grosser Sorgfalt, auch um Nachforderungen der Bauherrschaft zu verhindern. Trotzdem kam es kurz vor Eröffnung der Sportanlage zu einem Zwischenfall: bei einem Test der Alarmanlage für Rauchgase reichte ein minimaler Unterdruck, um die gesamte Glasfassade einzureissen. Der Fehler lag nicht beim Architekturbüro und konnte denn auch behoben werden, trotzdem äussert sich Valier natürlich erleichtert, dass niemand zu Schaden kam. Valier bedauert, dass auf dem freien Vordach mittlerweile bereits ein ergänzendes Beachvolleyballfeld geplant ist – was dem Projekt eine ganz andere Wirkung verleihen wird. Er hätte auch auf die von der Bauherrschaft geforderte Photovoltaikanlage auf dem Dach verzichtet und das Geld eher im Budget belassen für eine optimaleren Infrastruktur der Sporthalle, zumal er den Kosten-Nutzen-Aspekt der PV-Anlage eher ungünstig einschätzt.
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Nach dem Referat und einer Fragerunde konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die einzelnen Beton-Projekte in der Ausstellung begutachten, weiter diskutieren und vielleicht ihren persönlichen Favoriten wählen.
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Ausstellung Architekturpreis Beton 17 in Schaffhausen – diverse Presseberichte