Platz da!

Ein Schaffhauser Un-Ort vor der Rehabilitierung?

Ein Platz heisst Platz, weil es Platz hat. Nur gilt das eben gerade nicht für Schaffhausens Platz, der einfach Platz heisst. Dort verdrängen Autos, Mofas und Blumenkisten den leeren Raum. Genug, findet der Einwohnerverein Altstadt. Und wird dabei vom Schaffhauser Architektur Forum unterstützt. Eine autofreie Woche, initiiert durch die Gruppe Lebensraum Altstadt machte den Platz als Frei- und Gestaltungsraum erlebbar. 

Caspar Heer (Text)

«Plötzlich spazierten die Leute kreuz und quer über den Platz oder setzten sich auf einen der farbigen Stühle. Und die Kinder haben für sich einen neuen Spielplatz entdeckt», freute sich René Uhlmann, der Präsident des Einwohnervereins Altstadt. Die Stadt hatte sich im September auf Grund eines Antrags zur Erweiterung der Fussgängerzone durch die Gruppe Lebensraum Altstadt zu einem Experiment bereit erklärt: Sie sperrte den Platz und die Zufahrten nach dem Parking-Day 6 Tage lang für jeglichen Verkehr. Und so gab es Platz auf dem Platz – Platz für Fussgänger, Platz für Begegnungen, Platz für Musse und Platz für kleinere Veranstaltungen. Und all das konnte man vom Gerüstturm des Architektur Forums aus der Vogelperspektive betrachten. 

Abseits im Dornröschenschlaf

Nur wer die Schaffhauser Altstadt einigermassen kennt, kennt auch den Platz. Denn der liegt etwas abseits der Hauptachsen Vordergasse – Vorstadt. Dem glanzvollen Fronwaagplatz kann er nicht das Wasser reichen, obwohl auch in seiner Mitte ein barocker Brunnen plätschert. Der weist auf bessere Zeiten hin. Als man noch beim Wasserholen tratschte oder als sich die Arbeiter vor der AZ-Druckerei versammelten. Doch diese Art von Platzleben ist längst Vergangenheit. Seit Jahrzehnten verharrt der Ort im Dornröschenschlaf. Er verkam zu einem chaotischen Abstellplatz: Der Raum um den herrschaftlichen Brunnen war von Autos und Mofas verstellt, Fussgänger mussten sich zwischen den Blechkarossen durchquetschen, niemand mochte hier verweilen. Man floh in die Fussgängerzone Richtung Vordergasse oder Fronwaagplatz, der lebendigsten Begegnungszone der Stadt. 

«Missglücker Kompromiss»

Dem Einwohnerverein Altstadt Schaffhausen war der vollgestellte Platz schon lange ein Dorn im Auge. Vor fünf Jahren handelte die Arbeitsgruppe Attraktivierung Altstadt (in der er Mitglied war) mit der Stadt einen Kompromiss aus: Die Parkplatzzahl sollte auf die Hälfte beschränkt, der Brunnen aus seinem Korsett befreit und den Fussgängern mehr Platz eingeräumt werden. Bloss buchstabierte die Stadt unter dem Druck des Gewerbes dann wieder teilweise zurück. Uhlmanns Urteil: «Ein missglückter Kompromiss». Immerhin sei beim ehemaligen Gantlokal eine Fläche freigeschaufelt worden. Aber insgesamt hätten die zusätzlichen Parkfelder und voluminösen Blumenkisten die Durchlässigkeit für Fussgänger nach wie vor zu sehr eingeschränkt. 

Im November stimmt die Bevölkerung über die Renovation des Altstadtgevierts ab, das direkt an den Platz grenzt. «Das ist die Gelegenheit, diesen ganzen Raum neu zu gestalten», sagt Uhlmann. «Der Platz ist übermöbliert und wirkt lieblos – wir wollen ihn verkehrsfrei», fordert Uhlmann und wird darin vom Schaffhauser Architektur Forum unterstützt.

Optimale Parkhaussituation

Das klingt radikal. Es hat aber seine Berechtigung, denn schon im 1999 geschlossenen Parkplatzfrieden hatte man sich darauf geeinigt, Altstadtparkplätze aufzuheben, wenn in unmittelbarer Nähe neue Parkmöglichkeiten entstehen. Im Bahnhofparkhaus auf dem Bleiche-Areal gibts inzwischen neue Stellmöglichkeiten für mehr als 350 Autos – und von dort spaziert man locker in drei Minuten auf den Platz. 

«Ganz anders als Zürich hat die Schaffhauser Innenstadt eine optimale Parkhaussituation», meint Scharf-Präsident Christian Wäckerlin bei der Schlussveranstaltung der verkehrsfreien Platzwoche. Kaum ein Punkt in der Altstadt liege mehr als 250 Meter von einem Parkhaus entfernt. «Deshalb sind wir beim Platz für eine totale Verkehrsbefreiung. Mit politischer Radikalität hat das nichts zu tun. Wir vertreten einfach eine klare Haltung zur Stadtentwicklung». Platz heisst für uns freier Raum. «Ich bin ein grosser Verfechter von Leere», sagt Wäckerlin und steht dem Hang, Stadträume zu möblieren oder zu eventisieren kritisch gegenüber. 

Attraktiv auch für Geschäfte

Im vorliegenden Fall stehe nicht nur die Qualität des Platzes selber auf dem Spiel. Auch die durch Suchverkehr stark beanspruchten Gassen seien für ein Nebeneinander von Autos und Fussgängern zu eng. Wäckerlin ist deshalb überzeugt: «Die Öffnung des Platzes und der Zugänge für die Fussgänger lässt hier wieder echtes Leben zu. Das macht dieses Innenstadtgebiet attraktiv, wovon wiederum die Geschäfte profitieren werden». 

An dieser Stelle hätte eine Kritik seitens des Gewerbes nicht erstaunt. Doch wollte sich kein Interessentenvertreter der Parkplatz-Befürworter exponieren – und so blieben die Voten von Uhlmann und Wäckerlin unwidersprochen. Einstweilen. 

Caspar Heer