Die Wichtigkeit des Grünraums in Schaffhausen.

In den letzten Tagen, an denen es frühlingshaft wärmer geworden ist, wurde der durch die Pandemie eingeschränkte Bewegungsradius schnell wieder grösser gewählt. Schon nur der Blick durch das Fenster hinaus in die nähere Umgebung motiviert uns zum „Unterwegssein“ in Promenaden und Parks, an Aussichtspunkten, auf Stadtplätzen und am Lindli. Der „Grünraum“ scheint der menschlichen Seele am nächsten! Deshalb sind Menschen und Pflanzen im öffentlichen Raum auch ein breit anerkanntes, langjährig gepflegtes und gewachsenes Standortmerkmal der Stadt Schaffhausen, kurz „Grün Schaffhausen“ genannt.

22 Jahre lang stand Felix Guhl als Bereichsleiter von Grün Schaffhausen dieser existentiell wichtigen städtischen Abteilung vor. Im letzten Herbst, passend vor der winterlichen Ruhe der Natur, trat er in den Ruhestand über. Diese Gelegenheit nutzte SCHARF im letzten Herbst zu einem Treffen. 

In einem Gespräch mit Catherine Blum, Landschaftsarchitektin und Vorstandsmitglied im Schaffhauser Architekturform, blickte Felix Guhl auf eine bewegte Zeit zurück und betonte die Wichtigkeit, dass auch die Politik ihre Verantwortung für genügend Freiräume in der Stadt verstärkt wahrnehmen muss. 

Wir hoffen, dass Sie durch diesen Beitrag sensibilisiert auf einem Ihrer nächsten Stadtspaziergänge – nebst der gebauten – auch die gewachsene Stadtveränderung wahrnehmen. Die Grünräume brauchen in Konkurrenz mit dem gebauten Raum bedeutend längere Zeitfenster bis sie im geplanten Kontext den ursprünglich mal ersehnten Lebensraum bieten können. SCHARF wünscht Ihnen angeregte Gedanken.

19. Nov. 2020

Der oberste Stadtgärtner geht in Pension
Interview: Catherine Blum
Text: Lorenz Zahler
Skizze/Bilder: Christian Wäckerlin

Wie wichtig Freiräume sind, erfährt man derzeit während Pandemiezeiten besonders gut. Selten waren Spaziergänge im freien und im Wald so beliebt wie während des Lockdowns. Bis im Herbst dieses Jahres waren diese Freiräume in der Stadt Schaffhausen unter der Leitung von Felix Guhl, Bereichsleiter von Grün Schaffhausen. Der in Zürich aufgewachsene Landschaftsarchitekt kennt sich mittlerweile in Schaffhausen so gut aus wie in seiner Westentasche.

Spricht er heute über Schaffhausen, ist kaum zu glauben, dass er die Stadt bis vor seinem Stellenantritt 1998 bei der Stadtgärtnerei überhaupt nicht kannte. «Ich musste die Stadt erst neu kennenlernen und hatte zu Beginn einige Orientierungsschwierigkeiten», erklärt er im Gespräch mit dem Schaffhauser Architekturform. «Fasziniert war ich allerdings von der Schaffhauser Topografie, der Altstadt direkt am Rhein sowie den Tälern, die wie Finger vom Zentrum aus weggehen und sich zwischen den überbauten Hochplateaus erstrecken».

Das Leben spielt sich vermehrt draussen ab
In seinen 22 Jahren hat Guhl einige Projekte realisiert und die Entwicklung rund um die Freiräume in der Munotstadt mitgeprägt. Verändert habe sich im Vergleich zu früher vor allem die Nutzung der Freiräume. «Das klassische Spazieren und die klar definierte Nutzung der Grünräume ist heute sehr viel durchmischter», erklärt Guhl und nennt gleich das Lindli als Beispiel: Wo früher ein Badeverbot herrschte, geht man heute in den Rhein und nutzt die vorhandene Infrastruktur vielfältiger und intensiver . «Rasen betreten verboten» war früher, heute macht man es sich auf den Wiesen gemütlich. Diese Umnutzung der Flächen bedeutete für den Betrieb von Grün Schaffhausen gleichzeitig auch einen verstärkten Unterhalt.

Es war in den letzten Jahren ein Trend, den man auch die Mediterranisierung der Schweiz nennt. Das Leben der Bevölkerung richtete sich immer mehr nach Aussen, das Freizeitangebot und die zur Verfügung stehenden Flächen wurden immer wichtiger. Das Rheinufer wurde zur Ausgehmeile und Freizeitzone. Die Folge: Lärmreklamationen und Littering kamen auf. Neben dem Lindli gab es solche Brennpunkte in früheren Jahren auch beim Gelbhausgarten oder beim Kreuzgut Schulhaus. Mit einer Forschungsarbeit der Fachhochschule Luzern kam man zum Fazit, dass es sich in diesen Quartieren weniger um ein Lärmproblem handle, sondern viel mehr das Quartier den Wandel vom (angeblich ruhigen) Dorf zur Stadt noch nicht wahrgenommen habe.

Kampf um den Platz für mehr Grün in der Stadt
Ob nun Dorf oder Stadt, was damals wie heute immer noch gut funktioniert und einmalig für die Region ist, sei die ökologische Vernetzung: «Gerade das Mühlental mit den grünen Hängen reicht mit seinem Grüngürtel bis unmittelbar an die Altstadt», führt Guhl über einen Stadtplan gelehnt weiter aus, «ich kenne kaum eine Stadt, in welcher dies so ausgeprägt vorkommt». Auch wenn diese Hänge keine Flächen sind, die genutzt werden können, sollen sie erhalten bleiben und wo möglich weiter in die Stadt gezogen werden.

Dass dies nicht immer einfach ist, zeige sich am Beispiel eines Grüngürtels, der sich einst gemäss dem Rahmenplan vom nördlichen Mühlental bis zur Spitalstrasse ziehen sollte. Doch bei jedem weiteren Planungsprozess musste der Grüngürtel den kürzeren ziehen. «Planerisch festgelegte Ziele sind einfach extrem schwierig umzusetzen», bedauert Guhl die Entwicklung.

Eine nächste Möglichkeit für noch mehr Grün in der Stadt würde die zweite Tunnelröhre bieten. Mit den flankierenden Massnahmen hätte man die Möglichkeit, die heutigen, überdimensionierten Strassen zurückzubauen und als Grünfläche anzulegen. So würde beispielsweise die Fulachstrasse eine Möglichkeit bieten, attraktive Fussgängerverbindungen zu schaffen. Diese unterschwelligen Freiräume würden dann auch vermehrt dazu animieren, zu Fuss in die Stadt zu laufen, «sobald man das Haus verlässt, sollte man das Gefühl haben, am spazieren zu sein», ist Guhl der Meinung.

Politik muss Verantwortung wahrnehmen
Politisch habe sich in den 22 Jahren ebenfalls einiges getan. So hätte man zu Beginn lange Zeit nicht verstanden, dass es in der Stadt Grünflächen brauche. Als gutes Beispiel nennt Guhl die Freizeitanlage Dreispitz in Herblingen. Vielen sei (teils auch heute noch) nicht bewusst, wie wertvoll solche «grünen Inseln» für die Bewohner sind. «Auch wenn man in Schaffhausen schnell im umliegenden Wald ist, kann dieser Grün- und Freizeitflächen nicht ersetzen».

Geändert habe sich die Grünflächenpolitik dann allmählich mit dem Thema um die städtische Verdichtung. «Auch dank dem Freiraumkonzept wurde zumindest über Grünflächen diskutiert, gehandelt wurde noch nicht», weiss Guhl zu erzählen. Immer wieder wurde ihm das Budget nur schon für kleine Sanierungen gestrichen. «Die Notwendigkeit einer quantitativ ausreichenden und qualitativ guten Grünraumversorgung wurde damals in der Politik noch nicht richtig verstanden.» Diese Verantwortung müsse die Politik nun vermehrt wahrnehmen und es nicht nur bei einem Lippenbekenntnis belassen.

«Einen MFO-Park braucht es in Schaffhausen nicht»
Und wie sieht es bei der Bevölkerung aus? Werden die Freiräume in Schaffhausen überhaupt bewusst wahrgenommen? Anders als in Zürich Oerlikon mit dem sehr prägnanten und begrünten MFO-Park gibt es in Schaffhausen keinen solchen speziell gestalteten Ort, um zur Ruhe zu kommen. Laut Guhl würde so ein Park sicherlich das Bewusstsein für Grünflächen in der Bevölkerung stärken. Ein solcher sei in Schaffhausen aber überhaupt nicht nötig: «Um sich zurückzuziehen, findet man in Schaffhausen fast überall kleine Orte». Guhl ist eher ein Freund des klassischen Volksparks mit einer grossen Multifunktionalität, ohne Anspruch auffallen zu müssen. Eine zurückhaltende Gestaltung sei oft geradeso angenehm. 

Stets positive Rückmeldungen
Die Stadtgärtnerei war all die Jahre durch immer gut akzeptiert worden. «Wir hatten meiner Meinung nach ein gutes Image», meint Guhl. Der Grund wird bei der Nähe zur Bevölkerung liegen, denn die Quartierbewohner wurden bei der Bepflanzung der Quartiere oder beim Erstellen neuer Spielplätze miteinbezogen. «Nur schon, dass wir die Bevölkerung gefragt haben, stiess jeweils auf ein positives Echo». Ebenfalls schätzt Guhl die Akzeptanz von Grün Schaffhausen in der Politik, so gab es nie Diskussionen um eine Privatisierung. Er lobt zudem stets die recht gute Zusammenarbeit mit anderen Ämtern, hat er in seiner Zeit doch einige Regierungen und unterschiedliche Charakteren kennengelernt.

Der Freiraum sollte vermehrt den Takt angeben
Auch wenn die Grünfläche früher nicht immer an erster Stelle stand, dürfte es bei einer umsichtigen Stadtplanung kaum zu einem Grünflächenmangel kommen. Die Stadt hat dazu bereits vorgesorgt. Im Grubental besitzt sie grosse «ZöBAG»-Flächen. Oft werde bei dieser Zonenbezeichnung  aber das «G» vergessen, ärgert sich Guhl, denn sie bezeichnet die «Zone für öffentliche Bauten, Anlagen und Grünflächen». Letztere seien also auch miteingeschlossen.

Was er sich nun für die Zukunft noch wünsche, sei eine offene Politik, die sich für den Erhalt und den Ausbau der Grünflächen ausspricht. Auch was politisch geprägte Themen wie das Klostergeviert oder das Kammgarn-Areal betrifft, wünscht er sich, dass die Landschaft mehr Gewichtung in der Beurteilung erhalte. Zur Gestaltung des neuen Kammgarnareals sagt er zum Abschluss klar und bündig: «Die Freiraumgestaltung auf dem Platz muss den Takt angeben und nicht die Tiefgarage darunter».

«Im Interview mit Felix Guhl wurde hauptsächlich über die Grün- und Freiräume diskutiert. Die Planung und Unterhalt dieser öffentlicher Grünflächen, Sportanlagen und Schulhausumgebungen ist eine Teil der umfangreichen Aufgaben von Grün Schaffhausen. Dazu gehören auch die Planung und Pflege der städtischen Wälder und Naturschutzflächen, die Friedhöfe (Bestattung, Grabbepflanzung, Grabmalbewilligung), der Gärtnereibetrieb (Pflanzenproduktion, Blumenschmuck, Blumenladen), städtischer Rebbetrieb, Munothirsche, Verpachtungen (Landwirtschaftsflächen, Familiengärten), Baubewilligungsverfahren, Gartendenkmalpflege und der Baumschutz.» 

SCHARF-Gespräch, Felix Guhl mit Catherine Blum
Strasse, Hecke, Bäume, Parkplätze an der Hochstrasse
Strasse, Hecke, Bäume, Parkplätze an der Hochstrasse
Zick-Zack-Weg bei den Kindergärten an der Munothalde
Stadtgrün am Fusse des Munots
Alte Laube, Schauwecker’sches Gut
Alte Laube, Schauwercker’sches Gut
MFO-Park Zürich Oerlikon
Schaffhauser Blumenschmuck auf den Plätzen
Schaffhauser Blumenschmuck auf den Plätzen
Schaffhauser Blumenschmuck auf den Plätzen
Schaffhauser Blumenschmuck auf den Plätzen
Grünes Quartier am Niklausenplatz
Lunas Crêpes, Lindli

Skizze von Christian Wäckerlin zum Gespräch mit Felix Guhl:

Link AZ, 17. April 2014: «Wir sind mediterranisiert»