Hoch hinaus: Faszination RhyTech-Türme

Ende August stieg eine Architektur-Party der besonderen Art: Die Firma Halter AG lud die Scharf-Mitglieder zu einer exklusiven Erstbesichtigung der Neuhauser RhyTech-Türme ein. Sie kulminierte in einem Grillfest im noch fensterlosen, windigen obersten Stockwerk des kleineren Towers. Dort, wo ab 2024 im Panorama-Restaurant Dinners mit Rheinfallblick und ohne Zugluft serviert werden.

Text: Caspar Heer
Bilder: Caspar Heer und Stefanie Kaiser

Das Interesse war riesig: Rund 50 Scharf-Mitglieder folgten der Einladung ins RhyTech-Areal. Erst kurz zuvor waren die Rohbauten der zwei Hochhäuser fertiggestellt worden. Vertreter der Halter AG empfingen uns Gäste buchstäblich im Schatten der Türme, im Kopfbau des historischen Alusuisse-Werkgebäudes, in das unter anderem der Grossverteiler Migros als Hauptmieter einziehen wird. Vor dem Rundgang gab’s hier zunächst eine Einführung in die Arealüberbauung. In der öffentlichen Diskussion der letzten Jahre führte bekanntlich die Höhe der Bauten zu heftigen Polemiken. Weniger Beachtung fand dagegen die qualitative Aufwertung der etwas heruntergekommenen Industrieinsel. Das Areal könnte sich dank dem Mix aus 280 Wohnungen, Läden, Gastronomie, (Industrie-)Arbeitsplätzen und Grünflächen zu einem neuen Neuhauser Subzentrum entwickeln.

Ein ganzes Jahrzehnt ist seit dem Architekturwettbewerb vergangen, den der Zürcher Architekt Peter Märkli 2012 für sich entschieden hatte. Im Vergleich zu dem zähen politischen Prozess, der folgte, wurden die Türme nun geradezu im Eilzugstempo erstellt: Im Spätherbst 2020 fuhren die Bagger auf, ein Jahr darauf startete der Bau der Türme und im Hochsommer 2022 wurden die Rohbauten oben vollendet, während in den unteren Geschossen schon die Ausbauten im Gange waren.

Dorthin lenkten wir unsere Schritte zuerst. Im kleineren Mietwohnungstower sind die 116 Wohnungen in der Grösse und Aufteilung auffällig unterschiedlich, die total 7 Wohnungstpyen decken damit verschiedene Bedürfnisse ab. Die Wohnungsgrundrisse sind sehr effizient, einzelne Zimmer wirken daher etwas knapp bemessen, dafür gibt es in den grösseren Wohnungen zwei Nasszellen und teils ein sogenanntes «Vierjahreszeitenzimmer» – eine unbeheizte, verglaste Loggia, die jede Wohnung im Bereich der Küche um rund 12 Quadratmeter erweitert. Im höheren Tower befinden sich 96 Wohnungen, pro Geschoss je eine 3.5-, zwei 4.5 und eine 5.5-Zimmer-Wohnung. Sie sind zwischen 93 und 138 Quadratmeter gross. Alle Wohnungen verfügen über mindestens zwei Nasszellen und über ein «Vierjahreszeitenzimmer».

Noch ist vieles unfertig, doch gerade dadurch lässt sich der Bauvorgang gut verfolgen. Was unser Aufsehen erregte: die Badezimmer und Duschräume wurden vorfabriziert und dann an einem Stück von oben in die Wohnung eingesetzt, bevor jeweils das nächste Geschoss hochgezogen wurde. Ähnlich bei der Zuführung von Heizleitungen und Lüftung: Auch dafür wurden vorgefertigte Module eingebaut. Es sind dies die sichtbarsten Zeichen eines hochrationalisierten und digitalisierten Bauprozesses, der auf BIM-Planung beruht.

Das Gebäude ist eine Kombination aus einem Betonskelett und Leichtbauelementen. Wurde auch Recycling-Beton verwendet? Ja, doch ausschliesslich beim Fundament, nicht aber bei Stützen und Decken in den statisch heikleren Bereichen. Und wie sieht es energietechnisch aus? Da ist das Areal auf dem modernsten Stand, betont die Halter AG. Alle Gebäude werden an den Energieverbund Neuhausen angeschlossen, der die Energie aus der Abwärme der Kläranlage und einer ergänzenden Holzschnitzelheizung bezieht. Im Sommer lassen sich die Wohnungen durch die Einspeisung von Fernkälte kühlen. Zudem werden mehrere der tieferen Dachflächen mit Fotovoltaik-Anlagen bestückt.

In den unteren Wohnungen lebt es sich kaum viel anders als in anderen Mehrfamilienhäusern, auch wenn hier die Fernsicht schon beachtlich ist. Und ganz oben? Unser Grüppchen zwängt sich in den Baulift und rumpelt die 80 Meter bis ins oberste Stockwerk des grossen Towers hoch. Die Aussicht ist atemberaubend. Keiner von uns kann sich der Faszination entziehen. Fast alle zücken ihre Fotokameras oder Handys – der Rheinfall liegt tief unter uns, die oberen Reiat-Dörfer scheinen gleichauf, der Gleisbogen der Badischen Bahn wirkt Märklin-mässig, der Blick schweift bis weit in die Alpen. Der Slogan in der Verkaufsbroschüre: «Neue Lebenswelt an exklusiver Lage» überzeugt offenbar. Hier im 24. Stock waren schon zwei Jahre vor dem Einzugstermin alle Wohnungen verkauft, trotz Preisen von deutlich über einer Million Franken (für eine 5.5-Zimmer-Wohnung).

Wer sich das nicht leisten kann oder will, wird die Aussicht trotzdem geniessen können: Im Panorama-Restaurant des kleineren Towers. Bei unserem Besuch ragten noch Kabel aus Boden und Decke, an der Wand lehnten Fensterelemente, doch im Raum standen für uns Festbänke bereit. Die «scharfe Grillparty» mit luftigem Rohbau-Charme war ein einmaliges Erlebnis.

Bleibt die Frage, ob sich die Vision des Architekten erfüllt. «Ich suche immer nach Dingen, die zwingend Nachbarschaften ermöglichen», sagte Peter Märkli vor 10 Jahren in einem Interview mit den Schaffhauser Nachrichten. Mit dem umgenutzten RhyTech-Areal entsteht dafür ein Rahmen. Es gibt auf dem Gelände trotz der hohen Verdichtung kollektiv nutzbare öffentliche Bereiche (darunter auch neue Grünzonen), wo Begegnungen an ganz verschiedenen Punkten möglich sind. Ob die neuen Bewohner/innen, die hier tätigen Arbeitskräfte und alteingesessene Neuhauser/innen diese Möglichkeiten auch nutzen, muss sich erst noch weisen. Bezugstermin für den neuen Neuhauser Hotspot ist das Frühjahr 2024.