Besuch der neuen Aksa-Moschee in Schaffhausen

Das Schaffhauser Architektur Forum lud am 22. September 2022 zu einer Besichtigung der neuen Aksa-Moschee am Schalterweg 10 in Schaffhausen. Durch die Räume führten drei Vorstandsmitglieder des Türkisch Islamischen Vereins, Ibrahim Erdogan, Ekrem Besir und Serhat Köroglu. Ebenso anwesend waren Imam Ibrahim Keskinsoy und – es wäre keine SCHARF-Veranstaltung ohne das besondere Interesse an der Baukunst – Architekt und Bauleiter Paride Castiello vom Atelier für Kommunikative Architektur in Neuhausen am Rheinfall.

Text: Cornelia Wolf
Bilder: Pierre Néma und Christian Wäckerlin

Die Aksa-Moschee ist zwar noch nicht offiziell eröffnet, schon seit längerem aber steht das fertige Gebäude da. Es ist ein schöner Bau, markant und trotzdem filigran in seiner orientalischen Ästhetik. Drei Reihen hoher, oben abgerundeter Fenster prägen die Fassaden. Die für eine Moschee traditionelle Kuppel sieht man nur aus erhöhter Position. Ein Fremdkörper im Schaffhauser Stadtbild? Nein, der Bau fügt sich hervorragend – symbiotisch, wird der Architekt später sagen – in seine von Industrie geprägte Umgebung ein. „Der Bau strahlt eine Kraft aus, der ich mich nicht entziehen kann“, formuliert es Pierre Néma vom Architektur Forum bei seiner Begrüssung.

Die zahlreichen Gäste dieser öffentlichen Veranstaltung sind sicher nicht alle primär architekturinteressiert. Viele sehen eine Gelegenheit, das seit Jahren in der Öffentlichkeit kontrovers diskutierte Moschee-Projekt nun in seiner Vollendung zu besichtigen und sich einen Einblick über das Leben darin zu verschaffen. Wenn wir reisen, erscheinen uns Gotteshäuser außerhalb unserer eigenen Kultur geheimnisvoll und exotisch – ein bisschen von dieser Mystik ist auch vor dem Eingang der Schaffhauser Aksa-Moschee zu spüren, als die drei Vorstandsmitglieder des Türkisch Islamischen Vereins und Architekt Paride Castiello uns hineinbitten.

Das Gebäude hat zwei Eingänge, einen für Männer, einen für Frauen, wobei letztere frei wählen können, welchen sie benutzen. Wir ziehen die Schuhe aus oder nutzen die angebotenen Überzieher und steigen über ein relativ enges Treppenhaus in den obersten Stock. Dort befindet sich das Herzstück der Moschee, der Gebetsraum. Imam Ibrahim Keskinsoy erwartet uns. Imame, erklärt man uns, sind Beamte des türkischen Staats und sind gemäss einer Vereinbarung zwischen der Schweiz und der Türkei während jeweils 5 Jahren im Amt.

Die Aussicht durch die grossen Fenster ist gigantisch. Magischer Blickfang ist ein bodendeckender Teppich im strahlendsten Türkis, das die Schreibende je gesehen hat. Das aufgedruckte Muster zeigt Tulpenblüten, die sich auch in den ornametalen Treppen- und Fenstergeländern wiederfinden. Die Recherche ergibt, dass die Tulpe in osmanischer Schreibweise „Lale“ (original persisch: „Laleh“) heisst. Das Wort setzt sich aus den gleichen Buchstaben zusammen wie der Name Allahs. Deshalb wird sie als ein mystisches und göttliches Symbol angesehen.

Im Raum steht ein Schrank aus edel wirkendem Holz mit einer umfassenden Koransammlung. Unter der Kuppel hängt ein opulenter Kronleuchter mit ovalen, gläsernen Leuchtkörpern. Viele kleinere Lampen sind zwischen den Fenstern angebracht. Nach Osten, Mekka, hin befinden sich die drei zentralen Elemente für das Gebet, wie jede Moschee sie kennt. Rechts die Kanzel, die Minber, von der aus der Imam für das Freitagsgebet vorbetet. In der Mitte die Mihrab, die Gebetsnische für die fünf täglichen Gebete. Links steht das Vortragspult, Körsü genannt, von dem aus der Imam die Gemeinde informiert. Der Raum, das ganze Haus, ist üppig verziert mit orientalisch gemusterten Kacheln, arabischen Schriften, prächtigem Gold überall. Blau, Schwarz, Weiss sind die vorherrschenden Farben in orientalischen Mustern und Designs. Alles glänzt noch sehr neu, wird aber mit den Jahren der Nutzung eine attraktive Patina erhalten.

Was macht eine Moschee zu einer Moschee?
Welche Bedeutung hat die sakrale Architektur?

Schrift im Eingang zur Moschee: „Nur diejenigen, die an Allah und den Jüngsten Tag glauben, ihre Gebete verrichten und die Zakat zahlen, können die Moscheen Allahs bauen und Allah fürchten. Es ist zu hoffen, dass diese von denen stammen, die den richtigen Weg finden.“

Es ist Architekt Paride Castiellos erste Moschee (den Kontakt zur Bauherrschaft knüpfte eine Mitarbeiterin), wobei er seinen Bau eigentlich gar nicht Moschee nennen möchte, sondern eher „Begegnungszentrum mit der Möglichkeit zum Gebet“. Das betonen auch die anwesenden Vereinsmitglieder: „Es sollte von Anfang an ein Ort der Begegnung werden, eine ‚reine Moschee’ hätte baulich anders ausgesehen“.

Der Bau hat eine Gesamthöhe von 17.5 m über 5 Stockwerke, zwei davon sind im Souterrain und werden für Parkplätze genutzt. Das Bauvolumen beträgt 5250 m3, die Stockwerkfläche je ca. 300 m2. Der Grundriss ist trapezförmig. Die Aussenwände aus cremefarben gestrichenem Sichtbeton tragen die ganze Struktur. Die ornamentalen Geländer am Treppenaufgang und an den Fenstern entstanden nicht im 3D-Druck, wie jemand mutmasst, sondern sind eingefärbtes Eisenmarmor und Handarbeit. Geländer, Gipsdecke sowie alle Lampen und Keramikfliesen stammen aus der Türkei. Der Rest der Baumaterialien, mindestens 80%, so Castiello, stammt aus der Region.

Der Ruf zum Gebet schallt nach Innen
Das Raumprogramm wurde von der Bauherrschaft definiert: Im Erdgeschoss befinden sich Aufenthaltsräume, Küche und WCs. Im 1. Stock gibt es einen Multifunktionsraum, die Wohnung des Imam sowie Waschräume für Männer und Frauen. Der Gebetsraum zuoberst bietet Platz für 200 bis 250 Gläubige. Auch wenn Frauen und Männer den gleichen Eingang benutzen dürfen, werden sie beim Gebet ganz traditionell getrennt. Dafür werden noch Trennwände eingesetzt. Gewünscht waren eine insgesamt helle Atmosphäre mit viel Licht und eine hohe Raumeffizienz. Ein Minarett gibt es nicht (wir erinnern uns: 2009 hat eine Mehrheit der Schweizer Bevölkerung sich für ein Minarettverbot ausgesprochen). „Der Ruf zum Gebet schallt nach Innen“, formuliert es Ibrahim Erdogan subtil, doch man merkt, das Thema schmerzt.

Als Vorläuferin der neuen Aksa-Moschee diente ein Einfamilienhaus am gleichen Standort. Dieses Gebäude reichte nicht, um die Bedürfnisse zu decken und in die Zukunft zu denken. 2010 begann man, sich konkret Gedanken über diese Zukunft zu machen. Der Weg zum Neubau war allerdings steinig und lang. Nicht nur baurechtliche, sondern auch politische, gesellschaftliche und finanzielle Unwägbarkeiten führten zu Verzögerungen. Kritische Presseberichte führten dazu, dass „keine Bank auf dem Platz Schaffhausen Geld geben wollte“, erinnert sich der Vorstand. Die Finanzierung der neuen Moschee sei mit Spendengeldern und privaten Darlehen gelungen.

Damit die Moschee lebt und ein Teil von Schaffhausen wird…
… brauche es auch die Schaffhauser Bevölkerung. Hier seien wir alle in der Verantwortung. Dem Türkisch Islamischen Verein ist es wichtig zu betonen, dass die Moschee als Begegnungszentrum für alle offen sein soll. Ein Ort, wo man sich trifft, denn „Verschiedenheit bringt uns weiter“, sagt Ekrem Besir. Zum Gebet in der Moschee sind alle willkommen, auch ohne Vereinsausweis oder türkische Staatsangehörigkeit. Auch Muslime aus dem Balkan, Afghanistan, Pakistan, Indien, Sri Lanka kommen zum „Date mit Allah“, wie Besir es weltlich ausdrückt.

Die Vorstandsmitglieder beantworten gerne die vielen Fragen der Anwesenden zu den Traditionen, zum religiösen Leben, zum Verein. Die Ausführungen sind offenherzig und freiheraus. Viel Interesse erfährt die Nutzung des Hauses: Es dient dem traditionelle Gebet, dem Koranunterricht, für Familienfeiern, der Pflege der Gemeinschaft. Imam Keskinsoy stünde für Auskünfte zur Religion zur Verfügung, doch es herrscht eine respektvoll-ehrfürchtige Zurückhaltung vor dem Mann, der in seiner Gebetskleidung da steht. Unsere Gruppe ist aber privilegiert: sie darf seinem Vorgebet in der Mihrab beiwohnen.

Eine erste Gelegenheit für die gewünschte Begegnung der Kulturen gibt es beim Eröffnungsfest am 3. November 2022. Von der Gastfreundschaft können sich die Anwesenden beim persönlichen Gespräch und dem grosszügigen Apéro-Buffet mit türkischen Spezialitäten bereits zum Abschluss des Anlasses überzeugen.

Lesen Sie folgend auch die Berichterstattung der Schaffhauser Nachrichten (pdf-Download)
Begegnungszentrum mit Gebetsmöglichkeit (Schaffhauer Nachrichten vom 24. September 2022)
Nun ist die Aksa-Moschee eröffnet (Schaffhauser Nachrichten vom 07. November 2022)

Impressionen des gut besuchten SCHARF-Anlasses vom 22. September 2022