Besuch des Infopavillons Galgenbucktunnel

IMG_3606Seit Mitte April 2014 kann man sich im Infopavillon Galgenbuck über die Geschichte und das Fortschreiten des Galgenbucktunnels informieren. Interessierte Gruppen melden sich via Internet an, Einzelpersonen müssen warten, bis eine Teilnehmerzahl zusammenkommt, die den Aufwand einer Führung rechtfertigt. Die Geduld lohnt sich, das sei vorausgeschickt.
Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, wird beim Treffpunkt an der Einfahrt abgeholt. Mit dem eigenen Auto – oder Velo – fährt man der Zufahrtstrasse entlang, vorbei an der Abzweigung, die zum eigentlichen Tunneleingang führen würde. Besuchern ist der Zutritt aus Sicherheitsgründen verboten. Kurz anhalten kann man trotzdem, etwa um ein Foto zu machen von den Eisenarmierungsbögen, die aufgeschichtet wie ein Kunstobjekt wirken, und dann wenigstens hinunterschauen zum imposanten schwarzen Schlund, wo vielleicht gerade Schichtwechsel stattfindet oder sich ein paar Arbeiter ein Auge voll Tageslicht gönnen.
Der Infopavillon befindet sich in einer auf Säulen gestellten Gruppe von Bau-Containern. Im länglichen, blauen Trakt finden wohl die örtlichen Planungsarbeiten statt. Die Gebäude sind längerfristig angelegt, junge Weinreben beginnen sich um die Säulen zu ranken. Peter Schneider, pensionierter Schaffhauser Bauunternehmer, begrüsst die Teilnehmerinnen und Teilnehmer und macht auf die Mulde vor dem Eingang aufmerksam, aus der man sich ein Stück echtes Galgenbuckgestein als Souvenir mitnehmen kann.
Im Ausstellungsraum wurde ein veritabler Tunnel-Lehrpfad eingerichtet mit Informationen zum Zeitplan, Leinwänden mit Kartenmaterial, Grundrissen, Querschnitten, Übersichten über alle Tunnelabschnitte, Tafeln mit Erklärungen zu Vorauserkundung, Geologie, Vortrieb, Sicherung, Verkleidung und Innenausbau, Maschinenpark und Materialbewirtschaftung. Imposant der Boden mit einer Luftansicht über das ganze Gebiet inklusive einer Fotomontage der Tunnelführung mit den speziell im Bahntal komplizierten Zu- und Ausfahrmöglichkeiten. Ein Film gewährt Einblick in den Tunnel und was sich darin abspielt. Vor Ort sind jeweils nur 6 Arbeiter in zwei Schichten. Bei all den Maschinen brauche es gar nicht mehr Manpower. Der Film zeigt eine Sprengung und – fast – die ganze Pyrotechnik.
Peter Schneider blickt zurück auf den geschichtlichen Hintergrund des Galgenbucks (die letzte Hinrichtung fand 1822 statt) und die Bemühungen um den Naturschutz (Umsiedlung Bienenvölker, Gespräche mit Ornithologen, Renaturierung Eisweiher). Seine Beamer-Präsentation ist für Laien und Kenner gleichermassen interessant. Zuständig für den Galgenbucktunnelbau ist das Bundesamt für Strassen Astra und dort die Abteilung Strasseninfrastruktur. Vom Engekreisel bis zum Bahntal wird der Tunnel 1140 Meter lang. Äusserst kompliziert ist der Anschluss Bahntal, wo aus drei Spuren deren neun werden. Der Verkehr soll ohne zusätzliche Lichtsignale fliessen. Das Problem des „Umweg-Verkehrs“ von und Nach Jestetten wird moniert und von Schneider so beantwortet, dass man die Möglichkeit eines zweiten Tunnels vom Kreisel Richtung Friedhof Neuhausen bereits angedacht habe und der Planung bei einem späteren Bedarf dann auch nichts im Weg stehen würde.
Der Vortrieb passiert in eine Richtung vom Portal Enge her. Ab Bahntal werden zur Zeit zwei Sondierstollen gebaut zur Prüfung der Beschaffenheit des DB Tunnels Charlottenfels. Dessen Unterquerung stellt eine grosse Herausforderung dar, zumal die Distanz zwischen den beiden Tunnels lediglich 7 Meter beträgt und die DB am Fahrplan festhält, was Sprengungen nur in einem dichten Zeitfenster ermöglicht.
Gebohrt wird 20-70 Meter unter dem Erdboden. Kritisch dabei ist das bewohnte Gebiet über der Röhre. Vorgängig wurden Zustandsberichte von den Häusern erstellt, und aktuell kann man sich jeweils 5 Minuten vor den Sprengungen per SMS vorwarnen lassen. Ja, man hört die Detonationen, bestätigt einer der betroffenen, aber nicht besonders beunruhigten Anwesenden. Die Astra unternimmt strengste Sicherheitsvorkehrungen. Die Sprengungen werden ständig neu festgelegt und beurteilt. Theodolite melden alle 10 Minuten Messungen an die Hauptzentrale in Winterthur, damit bei Veränderungen in der wechselhaften, heterogenen Geologie sofort reagiert werden könnte. Jedes gesprengte Teilstück wird vom Schutt befreit und sofort mit Eisenarmierungen und Spritzbeton gesichert. Der Durchmesser der Röhre mit der Mantelung und dem über der Röhre verlaufendem Abluftschacht für den Brandfall beträgt 12.65 Meter, das Gefälle 4%. Entlüftet wird durch den Fahrtwind. „Es ist nicht einfach, diesen Bau zu machen“, sagt Schneider, und es ist gerade die scheinbare Banalität dieser Worte, die der Aussage Bedeutung verleiht.
Der Durchschlag soll 2016 erfolgen, die Restarbeiten dauern noch weitere 2-3 Jahre, bis 2019 der Tunnel der Öffentlichkeit übergeben wird. Die Gesamtkosten betragen 240 Millionen Franken, die der Bund – und indirekt natürlich wir alle – bezahlen. Peter Schneider zeigt noch das Projektmodell und beantwortet versiert die vielen Fragen der Anwesenden.
Beim Retourfahren mit dem Velo halte ich nochmals oberhalb des Tunneleingangs an und suche die Statue der Heiligen Barbara, von der es ein Bild im Infopavillon gibt. Sie ist die Schutzheilige der Bergleute und somit auch der Tunnelbauer. Am 4. Dezember ist Barbaratag, dann ruht überall ihr zu Ehren der Tunnelbau. Auch am Galgenbuck. Dass bei all der modernen Technik, der Ingenieurskunst, der ganzen computergesteuerten Sicherheit, der strategisch durchgestylten Planung ein solch traditionelles Brauchtum noch so hochgehalten wird, hat mich verwundert. Und echt berührt.