Eine Genossenschaft wagt die Transformation

Totalsanierung oder Abbruch und Neubau? Die Bau- und Wohngenossenschaft Rhenania Neuhausen hat an der Brunnenwiesenstrasse 60 darauf eine spannende Antwort geliefert und stellte sie einer Gruppe Interessierter im Rahmen einer SCHARF-Veranstaltung und Besichtigung am 17. Februar vor. Es war die zweite Veranstaltung des Architekturforums zu genossenschaftlichen Wohnformen.

Text: Caspar Heer
Bilder: Andres Bächtold, Christian Wäckerlin

Weitere Bilder unter dost.org → Umbau Wohnsiedlung Brunnenwiesenstrasse

SCHARF-Präsident Christian Wäckerlin ordnete ein: Im genossenschaftlichen Wohnbau in Grossstädten sei derzeit Abbruch und Neubau das übliche Vorgehen. Dies weil heute in der Regel verdichteter gebaut werden kann, was den Genossenschaften erlaubt, auf ihren Arealen mehr und zugleich zeitgemässere Wohnungen zu erstellen. Was noch vor einem Jahrzehnt nahezu unbestritten war, wird heute jedoch kritisch gesehen. Die Schonung von Ressourcen ist wegen des Klimawandels gerade im CO2-intensiven Bauwesen zu einem zentralen Thema geworden. «Wenn man Bausubstanz, insbesondere Betonstrukturen erhält statt sie zu vernichten, leistet man einen grossen Beitrag zur CO2-Einsparung», betonte Wäckerlin.

Nun sehen allerdings die Wohnblocks an der Brunnenwiesenstrasse, die mit ihren frischen Fassaden aus Eternit- und Holzelementen einen modernen Akzent setzen, wie Neubauten aus. Doch der erste Eindruck täuscht: Hier wurden die bisherigen Gebäude nicht dem Erdboden gleichgemacht. Doch ging die Transformation der alten Liegenschaften deutlich weiter als eine übliche Renovation, und zwar auch finanziell. «Der Umbau hat etwa gleich viel gekostet wie ein Neubau», erkärte Rhenania-Präsident Dominik Schnieper.

Blossem Umwelt-Idealismus ist der Entscheid der Genossenschaft nicht zuzuschreiben. Es kam ein entscheidender Faktor hinzu: Als die Rhenania-Wohnblocks erstellt wurden, waren auf diesem Areal noch grössere Bauvolumen erlaubt als nach der heute geltenden Zonenordnung. Abbruch und Neubau hätte hier also nicht zu mehr, sondern zu weniger Wohnraum geführt. «Mit der Erhaltung und Transformation des Altbaus konnten wir dagegen sogar zulegen, indem wir das Dachgeschoss ausbauten», erklärte Schnieper. Auf eine Revision der Zonenordnung zu warten, war keine Option, da ein Brand einen Teil der Häuser unbewohnbar gemacht hatte. Man musste also handeln.

Dem Büro Dost Architektur GmbH Schaffhausen ist es gelungen, aus der Not eine Tugend zu machen. «Technisch war es schwierig, den Bestand zu erhalten», erläuterte Dost-CEO Dominic Meister. So mussten beispielsweise die Betondecken verstärkt und die Statik verbessert werden, etwa durch den Einbau eines Liftschachts im Treppenhaus. Die kleinteiligen Wohnungen wurden dagegen, soweit es der Rohbauraster zuliess, umgestaltet: Die separaten Küchen wurden aufgehoben und in die Wohnräume integriert, Duschräume ersetzen die traditionellen Badezimmer, und in einigen Wohnungen ermöglichen breite Schiebetüren anstelle von festen Trennwänden viel Flexibilität. Im neu erstellten Dachgeschoss sind Attikawohnungen verschiedener Grösse untergebracht. Die über die ganze Fassade laufenden Balkone verleihen den Räumen zusätzliche Grosszügigkeit. Dichtestress sieht anders aus!

«Wir haben in anderen Liegenschaften ein grosses Angebot an Familienwohnungen», sagt Schnieper. «Hier bauten wir bewusst für eine breite Palette von Lebenssituationen, also für ein gemischtes Zielpublikum: ganz Junge, Einzelpersonen, Paare, Alleinerziehende, ältere Personen, die ein barrierefreies Heim brauchen». Bereits sei eine bunte Mischung von Leuten eingezogen. Doch die haben wohl ihr weltanschauliches Heu nicht immer auf der gleichen Bühne. Rhenania kommt dem entgegen: Die Zuteilung der Wohnungsgrösse handhabt man weniger rigoros als andere Genossenschaften. Und der automobilen Realität verschliesst man sich auch nicht: Im Dreieck zwischen den Häusern gibt es nämlich eine neue Tiefgarage: Den Platz darüber haben die Architekten als teils begrünte, von allen Balkonen einsehbare Begegnungszone gestaltet. Als Ersatz für die traditionelle Waschküche, wo doch jetzt jede Wohnung ihren eigenen Waschturm hat?