9. Januar 2019: Elegante Lernfabrik: das neue Schulhaus auf der Breite

Ob die Kinder bald auch so scharf auf ihre neue Schule sind? Die ersten Gäste im Breiteschulhaus waren es jedenfalls: Zur Führung des Architekten Dario Oechsli erschien die rekordverdächtige Zahl von rund 50 Architektur-Profis oder -Interessierten. Dabei hatte das Schaffhauser Architektur Forum (Scharf) am 9. Januar lediglich seine eigenen Mitglieder zum «dialogischen Rundgang» eingeladen.
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Alles ist so blitzblank wie in einem Operationssaal. In der Eingangshalle streifen sich die Besucher blaue Plastiküberzüge über ihre Schuhe. Denn das Haus ist noch gar nicht offiziell eingeweiht – und bis dahin will man den hellgrauen Bodenbelag von schwarzen Striemen verschonen. Ob das noch gelingt, wenn einmal zahlreiche Schulklassen hier ein und ausgehen? Man sieht Hauswart Caluori gewisse Bedenken an, aber auch seine Freude über die gerade erst angelieferte High-Tech-Reinigungsmaschine, mit der er dann seine täglichen Hochglanzrunden ziehen wird.
«Kleid ohne Körper»
«Wie ein massgeschneidertes Kleid, aber noch ohne Körper», komme ihm das Gebäude erstmal vor, sagt Christian Wäckerlin, Scharf-Präsident bei der Begrüssung. Noch herrscht in den Räumen die pure Perfektion. Damit dürfte es aber schnell vorbei sein, wenn die Schülerinnen und Schüler nach den Sportferien einziehen und Leben in die Bude bringen. «Dann zeigt sich, ob das Haus den Ansprüchen genügt», so Wäckerlin.
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Die Treppe ins obere Stockwerk wirkt grosszügig. Die hält einem Ansturm der Schulklassen auf jeden Fall stand. Auch in den für 18 bis 24 Schüler konzipierten, vorerst noch nicht möblierten Klassenzimmern kommt keine Enge auf. Hier lässt Dario Oechsli, die Bauzeit noch einmal Revue passieren – und präsentiert damit gleich die Wandtafel des 21. Jahrhunderts: einen riesigen Flachbildschirm.
Komplexes Bauen
Ein Bild, das vor der Betonierung der Kellerdecke entstand, gibt mit seiner Fülle von Installationen und Lüftungskanälen einen Eindruck von der Komplexität heutigen Bauens. Weitere Aufnahmen machen die Gebäudestruktur deutlich: Vier längs wie Scheiben angeordnete Betonwände, im mittleren Bereich die Treppe und ein breiter Korridor mit einem Durchblick ins Parterre, links und rechts die Schul- und Kleingruppenzimmer und darüber das gezackte Sheddach. Dieses ist eine Holzkonstruktion, die allerdings wegen schallschluckender Platten nicht sichtbar ist. Das Licht fällt von Norden ein, auf der südwärts gerichteten Schräge sind Fotovoltaik-Panele angebracht. Man gewinnt den Eindruck eines soliden, aber unabänderlichen Schulbaus. Doch er ist flexibler als auf den ersten Blick zu vermuten.
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Im Parterre finden sich die Lehrerzimmer für die ganze Schulanlage, ein Schüleraufenthaltsraum (gedacht für Mittagstisch und ausserschulische Betreuung) sowie eine auch öffentlich zu nutzende Aula, für die ein zusätzlicher separater Eingang besteht. Dank dem leicht abfallenden Terrain ist das Souterrain auf der Südseite ein Tiefparterre. Hier sind ein Mehrzweckraum mit noch unbestimmter Nutzung sowie eine Hauswartwohnung untergebracht. Wo kein Tageslicht eindringt, liegen Keller- und Technikräume.
Zurückhaltend geschminkt
Farblich wäre Architekt Oechsli gern etwas kräftiger verfahren. Das Gebäudeinnere wirkt tagsüber luftig, am Abend aber kühl, was mehr daran liegt, dass Wände, Decken und Türen in zurückhaltenden Pastelltönen gestrichen sind, als am Sichtbeton im Korridorbereich. So liegt es nun an den Schulklassen, Buntheit in ihr neues Haus zu bringen.
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Vor der Tür wird die Natur diese Aufgabe übernehmen. Die Gebäudehülle hat der Architekt schon mal darauf abgestimmt: Statt einer uniformen Farbgebung hat er sich dafür entschieden, die verputzten Fassaden in Anlehnung an den Umgebungskolorit mit wechselnden Farbflächen zu überziehen. So mildert denn die dezente «Schminke» den vom Sheddach herrührenden Fabrikcharakter des neuen Schulhauses. So richtig zur Geltung wird dies erst kommen, wenn die Aussenlagen fertiggestellt sind. Noch stehen die Bagger auf dem Gelände. Bis sich Innen- und Aussenräume zu einem Gesamtensemble vereinen, werden noch einige Monate ins Land gehen.
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Lange Vorgeschichte
Mit der Eröffnung des neuen Schulhauses findet eine rund fünfzehnjährige Vorgeschichte ihren Abschluss. Ein Projekt für die Erweiterung der 1953 eingeweihten Breiteschule wurde 2006 vom Grossen Stadtrat abgelehnt. 2012 ging das jetzt mit Modifikationen verwirklichte Projekt SHED siegreich aus einem Architekturwettbewerb hervor. Die erwarteten Kosten von 14 Millionen Franken schienen dem Grossen Stadtrat aber zu hoch, weshalb das Gegenprojekt SOL ausgearbeitet und SHED leicht abgespeckt wurde. Beide Projekte wurden den Stimmberechtigten im Frühjahr 2016 als Variantenabstimmung vorgelegt. Nach hitzigen Diskussionen, in deren Verlauf sich auch «Scharf» einschaltete, entschieden sie sich für SHED.
Die Besucher der Architekturführung stimmten darin überein, dass die korrigierende Weichenstellung als Qualitätsprozess richtig war. Wie sich das neue Schulhaus unter Volllast bewährt, wird sich im alltäglichen Gebrauch zeigen: Im Schulbetrieb, aber auch im ausserschulischen Bereich sowie im Unterhalt. Die wirkliche Architektur-Qualität wird dann klar erkennbar, wenn das Haus von Gebrauchsspuren gezeichnet ist oder die Bedürfnisse der Nutzer bereits zu Veränderungen geführt haben. Einer erneuten Architekturführung in etwa einem Jahrzehnt können wir also schon heute gespannt entgegensehen.
Link: SN-Artikel von Julia Heiri, 16.01.19
Link: Schaffhauser Bock Artikel, 19.2.19