SIG-Wettbewerb: Qualität über dem Rheinfall

Das Schaffhauser Architektur Forum setzt sich seit Jahren dafür ein, dass die öffentliche Hand wieder vermehrt Wettbewerbe durchführt. Solche Verfahren ermöglichen den Auslobern die Chance, die beste Lösung zu jurieren und die Qualität eines Projektes nachvollziehend zu vermitteln. 

Beim geplanten Neubau auf dem SIG-Areal wurde eine solche Chance im vergangenen Herbst nun von der privaten Bauherrin – der SIG Gemeinnützigen Stiftung zusammen mit den Arealentwickler – vorbildlich genutzt, was für die Baubehörden von Kanton und Stadt bisher noch nicht so selbstverständlich ist. In diesem „Nie müde werden“, Wettbewerbsprozesse einzufordern, taut die frostige Situation in Schaffhausen nun langsam auf.   

Lesen Sie dazu als Einstieg in die Schaffhauser Thematik bezugnehmend auch das Editorial im „Hochparterre Wettbewerbe“ 5/20: Postglaziale Wettbewerbszeit

SCHARF wünscht Ihnen angeregte Gedanken.

SIG-Wettbewerb: Qualität über dem Rheinfall
Text: Caspar Heer
Bilder: Christian Wäckerlin

Statt auf Architekturwettbewerbe setzen Behörden hierzulande immer öfter auf Machbarkeitsstudien, was in der Regel eine tiefere Auslotung verschiedener Möglichkeiten verhindert. Begründet wird das meist mit der hohen Komplexität grosser Projekte. Anders die private Bauherrin des SIG-Areals: Sie setzte beim ersten Neubau auf dem Gelände gerade wegen der komplizierten Situation auf ein Wettbewerbsverfahren. 

Das Schaffhauser Architekturforum (Scharf) setzt sich dafür ein, dass die öffentliche Hand wieder vermehrt Wettbewerbe durchführt. «Solche Verfahren ermöglichen den Auslobern, die beste Lösung zu jurieren und die Qualität eines Projektes nachvollziehend zu vermitteln», sagt Scharf-Präsident Christian Wäckerlin. «Beim geplanten Neubau auf dem SIG-Areal wurde diese Chance genutzt, was für Schaffhausen nicht selbstverständlich ist». 

Vision als Grundlage des Wettbewerbs
Scharf organisierte zu diesem städtebaulich und architektonisch beispielhaften Vorgehen am 8. September im Grünerbaum-Eventlokal eine Veranstaltung. Der erste Teil befasste sich mit der Arealentwicklung für das SIG-Gelände, der zweite mit dem «Wettbewerb Mittelbau». Für die Entwicklung des gesamten Areals wurde ein Masterplan mit dem Ziel erstellt, die Industriezone zu öffnen und zu einem Stadtteil Neuhausens zu entwickeln. Arealentwickler Beat Odinga: «Damit behält man bei Einzelprojekten immer das grosse Ganze im Auge.» 

Für das SIG-Areal gibt es somit eine sorgfältig erarbeitete Vision – im Gegensatz zu anderen Neuhauser Quartieren. Zu dieser Vision gehört laut Odinga eine Mischnutzung aus Arbeiten, Wohnen und Beleben, also auch der Erhalt der gegenwärtig etwa 1000 Arbeitsplätze. 

Öffentlichen Raum schaffen
Thomas Schregenberger, Architekt und Vorsitzender des Preisgerichts meinte deshalb: «Ein wichtiges qualitätssicherndes Element ist der Umgang mit den Freiräumen zwischen den Industriebauten, denn wir wollen hier einen öffentlichen Raum entstehen lassen». So war der Wettbewerb nicht einseitig auf das neue Gebäude ausgerichtet, sondern auch auf die Aussenräume und deren Vernetzung mit dem angrenzenden Quartier und dem Rheinfallgebiet. 

Die Situation erwies sich laut Schregenberger als so komplex, dass in einer ersten Wettbewerbsrunde keiner der 12 eingereichten Vorschläge architektonisch, städtebaulich und ökonomisch zu überzeugen vermochte. Deshalb liess die Jury die drei besten Projekte nachbearbeiten. Als Sieger gekürt wurde das Projekt von Joos + Mathys Architekten, Zürich. Architektonisch überzeugte es das Preisgericht durch seine sehr kontrollierte Gliederung und die Backstein-Optik, mit der es sich gut in die industrielle Umgebung einfügt. Städtebaulich besticht es laut Schregenberger dadurch, wie es das Areal vernetzt und ohne topographische Veränderung eine attraktive Fläche zum Rhein hin schafft. 

Beste Lösungen ausloten
Wie beurteilen die Auftraggeber den Wettbewerb als qualitätssicherndes Element? Bauherrin ist die SIG Gemeinnützige Stiftung. Deren Geschäftsführer Michel Rubli sagt: «Wir wollen bessere Ideen entwickeln als einfach Wohnungen zu bauen. Wettbewerbe helfen uns, für die einzelnen Entwicklungsschritte die besten Lösungen für die Mischnutzung des Areals zu erkennen». 

Doch zahlt sich, was städtebaulich überzeugt, für die späteren Nutzer auch aus? Lorenz Nef, Geschäftsführer des Hotelbetreibers Fortimo Invest AG, dazu: «Gerade an einem so sensiblen Ort bringt uns ein Wettbewerb viel. Wir konnten aus den 12 Projekten das ästhetisch überzeugendste und gleichzeitig betrieblich beste auswählen». 

Damit die Rechnung für den Betreiber langfristig aufgeht, hat die Jury auch Ökonomen und Hotelspezialisten für die Bewertung beigezogen. Arealentwickler Odinga weiss aus seiner langjährigen Erfahrung mit Grossprojekten: «Der architektonische Inhalt macht die Ökonomie aus. Man muss den richtigen Massstab finden, damit das Leben funktioniert. Wenn das Projekt auf allen Ebenen stimmt, geht es auch wirtschaftlich auf». 

Bauboom erfordert Wettbewerbskultur
Bleibt die Sicht der Bevölkerung und als wichtiger Aspekt der Schutz der Landschaft. «In Neuhausen wird in den nächsten Jahren für eine halbe Millarde gebaut», so der Neuhauser Einwohnerrat Thomas Theiler. «Deshalb ist die Wettbewerbskultur so wichtig. Im SIG-Areal läuft die Transformation positiver als anderswo. Allerdings stellt man hier aus der Sicht des Rheinfallbeckens eine rechte Kiste auf die Kante». Das zu vermitteln, brauche viel Aufklärungsarbeit. 

Tatsächlich prägt die neue Hotelfassade das bundesrechtlich geschützte Rheinfallgebiet (BLN-Objekt 1412) erheblich mit. Roland Hofer betont aber, die kantonale Denkmalpflege und die Eidgenössische Natur- und Heimatschutzkommission seien in die Arealentwicklung einbezogen worden. Und die Schutzwürdigkeit des Ortes sei den Jury-Mitgliedern bewusst gewesen und habe im Auswahlverfahren eine zentrale Rolle gespielt. 

Das Podium v.L.n.R. Beat Odinga, Arealentwickler / Roland Hofer, Moderator SCHARF / Thomas Theiler, Einwohnerrat / Thomas Schregenberger, Vorsitzender Preisgericht / Michel Rubli, SIG Gemeinnützige Stiftung / Lorenz Nef, Fortimo Invest AG
SCHARF zu Gast im Eventlokal Grünerbaum auf dem SIG Areal

Download:

Auszug Präsentation Beat Odinga Arealsentwicklung

Auszug Präsentation Thomas Schregenberger Wettbewerb Mittelbau