Die Poesie des Raumes

Bericht über die Buchpräsentation ARKADIEN – Landschaft poetisch gestalten vom 18. November 2016
Arkadien ist Traum, Utopie und Sehnsuchtsort. Und dennoch soll Arkadien neue Wege für die Landschaftsgestaltung ermöglichen. Raimund Rodewald und Köbi Gantenbein präsentierten ihr Plädoyer für eine Poesie des Raumes und diskutierten über den sinnlichen Blick auf die Landschaft. Dazu wurde das ureigene Arkadien von Schaffhauser Persönlichkeiten vorgestellt. Die Veranstaltung fand in Zusammenarbeit mit der Schaffhauser Buchwoche statt.
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Das Buch riecht frisch. Die Seiten rascheln beim Aufschlagen. Sie gleiten zwischen den Fingern und zirpen, fast wie die Grillen auf dem Feld. Und plötzlich sieht man es vor sich: Das Gras ist hochgewachsen. Der Weizen glänzt in der Sonne, Wind streichelt sanft über die Wiese. Margriten, Mohn und Malven leuchten in Richtung matten, stahlblauen Himmel. Arkadien. Zumindest eine Version davon.
Die Idylle, die seit Jahrhunderten als Leitmotiv in Kunst, Literatur, Musik und Poesie gilt, ist vor allem eins: Gedachte Sehnsucht. Und so kann sie auch städtisch, laut, und staubig sein. In der Ferne oder ganz nah, Arkadien ist ein Ort, den man für sich alleine beanspruchen kann; die letzte Utopie.
Faszination und Gegenmodell
Für Raimund Rodewald und Köbi Gantenbein sind diese Metapher und ihre immense suggestive Wirkung so faszinierend, dass sie beschlossen haben ein Buch herauszugeben, das die Bedeutung von Arkadien für verschiedene Persönlichkeiten der heutigen Schweiz herausfiltert und die Idylle durch Interviews und Essays greifbarer macht und ein Stück weit in die Realität holt. Daraus ist, wie die Autoren es selbst nennen, ein Plädoyer für die Poesie des Raumes entstanden. Die Forderung von Rodewald und Gantenbein ist hochgesteckt. Sie wollen „nichts anderes als einen radikalen Paradigmenwechsel: Weg vom funktional-ökonomischen Primat der Landschaftsgestaltung.“ Das heutige Konzept der Landschaft als nutzbarer Raum benötigt für Rodewald und Gantenbein ein Gegenmodell. Grund für das Schaffhauser Architektur Forum die beiden zu Lesung und Gespräch einzuladen und seinerseits nach dem Arkadien von Schaffhauserinnen und Schaffhausern zu fragen.
Landschaften wahrnehmen und brauchen
Das Buch von Raimund Rodewald und Köbi Gantenbein hat den Anspruch den Facettenreichtum der Metapher Arkadiens möglichst auszuschöpfen und betrachtet das Konzept aus zwei Perspektiven. In einem ersten Teil gehen die Autoren der Frage nach, wie Landschaften wahrgenommen werden. Dabei orientieren sie sich an den fünf Sinnen und lassen jeweils zwei Persönlichkeiten in einem Interview und in einem Essay zu Wort kommen. Wie hört man, sieht man Landschaften? Kann man sie riechen, schmecken und erfühlen? Daraus entsteht eine Collage aus Eindrücken, Bildern und Meinungen, die Arkadien den Lesenden näher bringt. Im Zweiten Teil befragen die Autoren Persönlichkeiten zum Gebrauch und Nutzen von Landschaften. Raum ist politischer Schauplatz, wird geplant verändert und unterschiedlich genutzt. Bauwirtschaft, Landwirtschaft und Tourismus stellen unterschiedliche Ansprüche an die Landschaft. Kann eine arkadische Stimmung überhaupt aufkommen?
„Sie muss!“ Finden die Autoren. Damit die Landschaft für künftige Generationen erlebbar bleibt, darf sie weder zur Gedenkstätte noch zum blossen Gefäss der Zivilisation werden.
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Arkadien in Schaffhausen
Wie sieht denn das Arkadien der Schaffhauserinnen und Schaffhauser aus?
In dreizehn Beiträgen präsentierten Kunstschaffende und Schaffhauser Persönlichkeiten, was sie ganz persönlich unter Arkadien verstehen. Kleine, grosse, intime und soziale Versionen Arkadiens wurden mit Text, Bild, Film und Musik vorgestellt. Der Theaterregisseur Damir Zizek, Architekt Urs Kick und Raumplaner Paul Both stellten die gesellschaftliche Implikation von Arkadien ins Zentrum ihrer Erörterung. Idylle ist für sie nicht nur etwas, das sich im Raum manifestiert, sondern auch in der Sehnsucht nach einem besseren Leben. Das Streben nach Glück ist jedoch nicht für alle gleich. Geflüchtete, Migrantinnen und Migranten träumen vom Leben privilegierter Menschen in Europa, und wovon träumen denn diese?
Die Kunstschaffenden Nora Dal Cero, Andrin Winteler, Raphael Winteler und Marlon Rusch setzten sich fotografisch und mit Text mit Arkadien auseinander. Orte, Landschaften aber auch das eigene Zuhause sind für die vier bildgewordene Utopie.
Rolf Baumann und Thomas Silvestri näherten sich dem Thema mit Malerei und Musik. Beide komponieren ihr Arkadien als Urprodukt der Fantasie.
Katrin Bernath, Kurt Bänteli, Zeno Geisseler und Beat Junker fanden ihr Arkadien in Schaffhausen. Ob in der Altstadt, im Wald oder am Bahnhof – für sie ist Schaffhausen Ort der Inspiration und Sehnsucht zu gleich. Und schliesslich Giorgio Behr, dessen Arkadien in der Abgeschiedenheit des einfachen Tessiner Grotto liegt.
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Für eine Schlussdiskussion kehrten die Autoren Rodewald und Gantenbein gemeinsam mit dem Buchhändler Georg Freivogel auf die Bühne zurück. Unter der Leitung von Christian Wäckerlin versuchten die drei Fazit zu ziehen. Ist Arkadien schlussendlich eine zu subjektive Utopie, oder findet man einen Ansatz, wie das Konzept in die heutige Gestaltung von Landschaft einbezogen werden kann? Gemeinsam mit dem Publikum kam man zum Schluss, dass es möglich ist. Der Schlüssel liegt darin Arkadien nicht als eine beliebige Vorstellung sondern als Leitkonzept zu begreifen.
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Download: Arkadien in Schaffhausen

  1. Damir Žižek
  2. Katrin Bernath
  3. Kurt Bänteli
  4. Giorgio Behr
  5. Marlon Rusch und Raphael Winteler
  6. Urs Kick
  7. Nora Dal Cero
  8. Rolf Baumann
  9. Beat Junker
  10. Andrin Winteler
  11. Zeno Geisseler
  12. Paul Both
  13. Thomas Silvestri