… voller Tücke in die Lücke eine Brücke

Kinder und Jugendliche wachsen in einer von Erwachsenen gestalteten Umgebung auf und werden viel zu wenig dazu aufgefordert, sich mit offenen Augen umzusehen und den gebauten Lebensraum kritisch zu hinterfragen. Dieser wird allzu oft mit Gleichgültigkeit und Passivität betrachtet und als selbstverständlich und nicht verhandelbar hingenommen. Dem Thema Baukultur als gesellschaftsprägendem Faktor wird im Alltag – und in der Kulturvermittlung – noch zu wenig Beachtung geschenkt. SCHARF möchte dem vermehrt entgegenwirken und hat wieder einen Architekturworkshop am JUPS angeboten.
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10 Kinder im Alter von 7 – 12 Jahren trotzten dem Regen und gingen mit Architekturprofis auf Stadtexpedition. Ziel war es, in der Schaffhauser Altstadt Häuserzeilen zu betrachten, zu beschreiben und zu vergleichen. Was prägt so eine Strasse? Wie verschieden sind die Fenster, Türen, Dächer, Fassaden der einzelnen Häuser – und wie kommt es, das die unterschiedlichsten Gebäude nebeneinander stehen. Sind sie alle zusammengebaut oder gibt es Lücken? Geschieht es je, dass ein Haus in der Altstadt abgerissen und ersetzt wird? Wie muss das neue Haus sein, damit es ins Gefüge passt? Und muss es zwingend zum Rest „passen“?
Zu Beginn des Rundgangs stellten sich alle Kinder in eine Reihe und erkannten, dass alle unterschiedlich aussehen, individuell gekleidet, verschieden gross, dick oder dünn, jünger oder älter sind. Die Beliebigkeit des Nebeneinanders betonte die Unterschiede und machte die Reihe spannend. Genau wie eine Altstadt-Häuserzeile! Auch hier – so analysierten die Kinder – gibt es Farbnuancen, schöne und weniger schöne Dekorationen, verschiedene Proportionen, die Häuser stammen aus verschiedenen Zeiten, sind schmal, breit, ragen über den Nachbarn hinaus, sind zurückversetzt, haben Erker wie kleine oder grosse Nasen, Terrassen oder steile Dächer. Einige sind angeschrieben, von anderen weiss man, wozu sie dienen oder dienten, viele sind einfach anonym.
Vom Kammgarnhof durch den Mosergarten, die Münstergasse – am imposanten Pfarrhaus vorbei – hinauf zum Herrenacker, wo die goldenen Kugeln am Haus zum Frieden ausgiebig betrachtet wurden, und die Neustadt hinunter führte der Spaziergang. „Hier wohnen aber eher die ärmeren Leute“, meinte ein Kind in der Neustadt. Eine Betrachtungsweise, die unsere Profis schmunzeln liess. Länger verweilte die Gruppe bei Riegelhäusern, über deren Verputz, Balken und die ganze Bauweise viel gemutmasst und erklärt wurde. Auch die „Grossen“ gerieten darüber ins verzückte Fachsimpeln. Die Lücke beim Diebsturm wurde genauestens unter die Lupe genommen – war doch das „Lückefüllen“ im anschliessenden gestalterischen Teil des Workshops das Hauptthema.
SCHARF hatte mit Fotografien von einzelnen Altstadthäusern eine lose Häuserzeile vorbereitet, in deren Lücken die Kinder ihr eigenes Haus stellen konnten. Die Gestaltungs- und Bastelphantasie war fast grenzenlos! Ein Mädchen wusste auf Anhieb, dass ihr Gebäude schräg stehen würde, ein anderes wollte partout ein knallrotes Haus bauen, beliebt waren bunte Mosaiksteinchen für die Fassaden und Styropor für Balkon- und Erkeranbauten. Wegen der verwendeten Farbenpalette hätte jede Stadtbildkommission unruhige Nächte verbracht und gut, dass keine Baubewilligungen eingeholt werden mussten! Für einmal war alles erlaubt und fast nichts unmöglich. Wir wünschen uns von Herzen, dass künftige Generationen von Architektinnen und Architekten, Planerinnen und Planer mit einer annähernd so unverblümt-freien und unverfroren-mutigen Attitüde ans Werk gehen. Auch in kleinen Städten wie Schaffhausen!
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