Kino im Kopf

Wohnformen – was war, was ist… was könnte sein?
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Auch im Kino Kiwi Schaffhausen!

„Nach dem Stand der heutigen Hirnforschung beruht unser Sehen nur zu einem geringen Teil aus dem, was wir „wirklich“ sehen….“ (Zitat)
„Schon Karl Marx stellt in Bezug auf die gesellschaftliche Entwicklung fest, dass das Bewusstsein unser Sein bestimmt. Für das Kino im Kopf gilt das Umgekehrte: Das unbewusste Sein bestimmt unser Bewusstsein. Aus Sicht der Hirnforschung gibt es kein Publikum. Es gibt nur Menschen im Publikum, und die erleben jeden Film höchst individuell und unterschiedlich. Auch darin liegt die Kraft des bewegten Bildes.“ (Wie das Kino im Kopf funktioniert und wie wir Filme sehen., “Filmplus“, Oktober 2016)
Verglichen mit dem Filmerlebnis im Kino, nehmen wir unseren eigenen, realen Lebensraum noch viel intensiver wahr.
SCHARF bietet in der neuen Kolumne ´Kino im Kopf´ die Gelegenheit, Schaffhausen „unüblich“ als alltäglich zu entdecken. Die Bilder von Pierre Néma beziehen sich direkt oder indirekt auf Themen, die SCHARF aktuell verfolgt, und bieten viel Raum für das subjektive ´Kino im Kopf´ und damit für eine sensibilisierte kritische Wahrnehmung.
 
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Kunst ist schön – macht aber viel Arbeit!
Karl Valentin
Nach der letzten Scharf Veranstaltung, wo es, wie ihr alle wisst, um Stadträume ging, machte ich mich auf den Heimweg. Ich hatte den Fotoapparat dabei, da ich den Auftrag hatte, für die Zeitung das passende Bild zu machen. Ein Stadtbild mit raumerforschenden Workshopkollegen darauf, oder so ähnlich. Ich war also noch in einem sensibilisierten Zustand, als ich auf meinem Fahrrad auf freiem Feld unvermittelt und magisch angezogen auf ein Objekt zu fuhr. Ich stieg vom Fahrrad. Ich versuchte die räumliche Wirkung dieses Gegenstandes fotografisch festzuhalten. Ich tat dies mit einer Intensität, als ob sich die Materie im nächsten Moment auflösen könnte. Erst allmählich wurde mir bewusst, was hier genau vor mir hatte. Es waren aufeinandergestapelte Bodenplatten der Ausstellungshallen von der Herbstmesse. Präzis geschichtet, räumlich strukturiert. Ich fotografierte weiter und dachte für mich: so schön kann Herbstmesse sein!
Plötzlich merkte ich, dass mich die offensichtlichen „Erbauer“ dieser Skulptur in einiger Entfernung beobachteten – zwei handfeste Burschen in Arbeitskitteln. Aus der Entfernung konnte ich nicht erkennen, ob sie meinem Tun wohlwollend oder ablehnend gegenüberstanden. Ich entschloss mich kurzerhand in die Offensive zu gehen und wagte die Annäherung. Noch bevor sie etwas sagen konnten, schoss ich los: „Sie wundern sich wahrscheinlich, was man so alles fotografieren kann?“ Die beiden waren offensichtlich gerade mit ihrer Arbeit fertig geworden und freuten sich auf den Feierabend. Sie nickten etwas mitleidig in meine Richtung. Ich legte gleich nach: „Sieht eben irgendwie, ……. wie Kunst im Raum aus!“ Die beiden brachen in Gelächter aus und der Eine fügte (schnippisch) schelmisch hinzu „….auch wie irgendwie ein Haufen Arbeit!“ Ich war schon inzwischen bei den beiden angelangt, und wir betrachteten zu Dritt das Gestapelte aus der gleichen Blickrichtung. Ich versuchte die Situation irgendwie weiter zu umschreiben und meinte: „Haufen Arbeit färbt halt auch positiv auf das Werk ab“. Sozusagen der Umkehrsatz von Karl Valentin: Macht’s viel Arbeit wird’s auch schön! Schweigen, ernste Gesichter, die beiden waren daran, das von mir gesagte irgendwie zu verarbeiten. Dann sagte der Eine nach einer Weile „Soll ich den Gabelstapler auf die Seite fahren, der steht doch irgendwie im Weg oder nicht?“ Ja tatsächlich, erst habe ich es gar nicht gemerkt. Der Gabelstapler stand gleich neben dem Objekt und beeinträchtigte nicht unwesentlich die räumliche Wirkung der Plastik. Ob soviel Empathie war ich beinahe gerührt, und es schien, als rückten wir in der Betrachtung der Welt ein grosses Stück näher. Nachdem er im Handumdrehen den Stapler umparkiert hatte, kam er wieder zu mir und klaubte sein Smartphone aus der Hosentasche. „Hier, ich habe noch mehr Fotos von weiteren Stapeln“ und ob er mir die schicken könne. „Sehen sie“, grinste ich, „sie machen ja auch Fotos!“
„Naja“, sagte er – „alles viel Arbeit halt….muss man irgendwie festhalten!