An einem Sommerabend Ende Juni trafen sich einige Mitglieder des Architekturforums im Reiat gelegenen Lohn. In dieser nicht einmal tausend Einwohner zählenden Landgemeinde führen Walter Wipf und sein Sohn Hans Wipf die Schreinerei Wipf AG.
Text: Alex Zahler
Bilder: Pierre Néma
Als Kümmerer hat sich Walter Wipf bereits seit längerem Gedanken über die bauliche Entwicklung seiner Landgemeinde Lohn gemacht. Da in der Vergangenheit grosszügige Einzonungen stattgefunden haben, sind viele Grundstücke auf dem Markt, die nicht selten dem Meistbietenden verkauft werden, um dann durch Fremdvermietung grosse Renditen abschöpfen zu können. Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass willkürlich ganze Gebiete ohne Gesamtkonzept mit Häusern aller Art überbaut wurden und dazwischen ungeplante Lücken entstanden sind.
Für seine im Familienbesitz stehenden Grundstücke hatte Walter Wipf schon einige Kaufangebote erhalten. Dass diese aber auf unsensible Weise und ohne übergeordnetes Konzept einzeln mit Einfamilienhäuschen überbaut werden, kam für ihn nicht in Frage. So fasste er den Entscheid, mit gutem Beispiel voranzugehen und im grösseren Massstab zu denken. Für seine drei aneinander angrenzenden Grundstücke schrieb er auf Eigeninitiative einen kleinen Architekturwettbewerb aus. Zwei Architekturbüros lies er unter gleichen Bedingungen ein Bebauungskonzept ausarbeiten. Dieses sollte sich mit den Strukturen des Dorfes verträglich zeigen und eben nicht der klassischen Einfamilienhaus-Architektur entsprechen. Als Jury zog er fachkundige Personen bei.
Die eingereichten Projekte verfolgten unterschiedliche Philosophien. Die Wettbewerbsteilnehmer waren:
Moos. Giuliani. Herrmann. Architekten aus Diessenhofen mit dem Projekt „Boskoop“
Das Projekt «Boskoop» hat Reihenhäuser vorgeschlagen, die sich strukturell voneinander abgrenzen und durch Staffelung in Höhe und Grundriss auf das Gelände und die Ausrichtung reagieren. Die Jury zweifelte den gewählten Ansatz, die in der Kernzone bestehende Bautypologie im Projekt zu wiederholen. Die Abgrenzung der einzelnen Grundstücke sei zu stark formuliert. Dem an den Dorfkern von Lohn angelehnte Ausdruck in Material und Gestaltung stand man skeptisch gegenüber und diskutierte, ob eine Fortsetzung des Dorfkerns auf diesem Grundstück die richtige Reaktion sei. Das Projekt wurde als pragmatisch, aber nicht sehr mutig bewertet.


↑ Das Projekt von Moos. Giuliani. Herrmann. Architekten
Dost Architektur GmbH aus Schaffhausen mit dem Projekt „Quellwies“
Als siegreiches Projekt konnte dasjenige von Dost Architekten überzeugen. Sie haben über den vorgegebenen Projektperimeter von Walter Wipf hinausgedacht und eine Vision über mehrere Grundstücke skizziert. Das Projekt «Quellwies» präsentiert sich als ein durchdachtes städtebauliches Konzept mit zwei lockeren Reihen von Einzelbauten in einem grosszügigen Grünraum. Die Bebauung zeichnet sich durch eine offene und grosszügige Wirkung aus, wobei der Obstgartencharakter erhalten bleibt und die Grundstücke nicht erkennbar voneinander abgegrenzt sind. Die Erschliessungsstrasse dient nicht nur der Zufahrt, sondern auch als Begegnungszone und soziokulturellen Raum. Im Volumen lehnte man sich zwar an Einfamilienhäuser an das Gesamtkonzept, die Körnung sei jedoch divers, vielfältig und frei von Wiederholungen, so Architekt Dominic Meister. Auch gegen alle Kritik an Einfamilienhäusern dürfe man nicht ausser Acht lassen, dass auf dem Land nun mal primär diese Wohnform gefragt und gekauft werde. Dem Markt dürfe man sich nicht verschliessen, nur die Umsetzung müsse besser sein als das bisher bekannte Häuschen mit klar abgegrenztem Garten und Zaun, führte der Architekt weiter aus.


↑ Das Projekt von Dost Architektur GmbH
Für Walter Wipf stand von Anfang an fest, dass es keine Holzkonstruktionen sein sollten. Im Reiat habe man nie mit Holz gebaut. In diesem Kantonsteil stünde viel Kalk und Klinker zur Verfügung. Die Fassade müsse hart und beständig sein. Als Schreiner käme das Holz dann natürlich im Innenausbau gewichtig zur Geltung, betonte er.
Nachdem der Sieger erkoren wurde, hat man die Nachbarschaft und die angrenzenden Grundstücksbesitzer über die Vision informiert. Leider zu spät – wie sich im Nachgang zeigte. Das Interesse an einem gemeinsamen Projekt war gering und somit auch der Wille, die Planung fortzusetzen. Das Projekt scheiterte an seiner eigenen Vision.
Den Begriff des „Scheiterns“ lässt der zum Handkuss gekommene Architekt Dominic Meister jedoch nicht gelten. Die Denkweise der Familie Wipf sei gut und beispiellos. Partizipative Prozesse werden immer wichtiger, führt er weiter aus. Die Nachbarn hätten bereits vor einer Wettbewerbsausschreibung mit ins Boot geholt werden müssen. Nur hat man zu jenem Zeitpunkt noch nicht gewusst, welche Vision die Architekten skizzieren würden. Dass konventionelle, lediglich das Grundstück des Auftraggebers betrachtende Planungen immer mehr zu einem Stolperstein werden können, zeigen die sich häufenden Baurekurse verdrossener Nachbarn.
Markus Zimmermann, damaliger Baureferent der Gemeinde Lohn, hätte ein über mehrere Grundeigentümer abgestimmtes und wegweisendes Projekt natürlich begrüsst. Die Gemeinde habe aber schlussendlich auch nur eingeschränkte Handlungsmöglichkeiten und sieht sich mit Partikularinteressen jedes einzelnen Grundstücksbesitzers konfrontiert.
Eine Frage aus dem Publikum eröffnete dann das grosse Thema der Siedlungsentwicklung. Wo denn heutzutage in den Landgemeinden das verdichtete Bauen bleibe, wurde gefragt. Der ehemalige Kantonsplaner Hans Georg Bächtold stimmt auf die Frage mit ein und wies auf das im Jahr 2013 angenommene Raumplanungsgesetz hin. Es seien nun endlich die Gemeinden gefordert, die vorwärtsmachen müssten. Die Stimmbevölkerung der Schweiz hat damals beschlossen, dass die Siedlungsentwicklung kompakt gehalten werden soll, die Landschaft geschont und die Baulandreserven besser ausgenutzt werden sollen.
Walter Wipf hat dann schlussendlich doch noch gebaut. Als Abschluss der angeregten Diskussion führte uns Walter Wipf durch sein neues Zuhause. Ein Einfamilienhaus mit kleinem Umschwung. Die Fassade aus massiven Sichtsteinen und der Innenausbau hölzig gehalten. Nach der anschliessenden Führung durch den Schreinereibetrieb durch Hans Wipf folgte ein wunderbares Apérobuffet, bei welchem angeregt weiter diskutiert wurde. Wir bedanken uns bei Hans und Walter Wipf für die Gastfreundschaft und für das Sponsoring unseres Newsletters.





