An einem kalten und verregneten Herbstabend trafen sich interessierte Freunde des Schaffhauser Architekturforums in Hofen. Die diesjährige Generalversammlung des SCHARF gastierte in den ehemaligen Gewächshäusern von Hans Weber. Die folienbespannten Metallkonstruktionen werden nun durch Vincent Fehr und Sunna Seithel von Flora Futura – einer Zukunftsgärtnerei – genutzt und betrieben. Doch dazu später mehr.
Text: Caspar Heer und Alex Zahler
Bilder: Pierre Néma
Nachdem obligaten Rückblick auf das vergangene SCHARF-Jahr durch Präsident Christian Wäckerlin konnten wir mit Applaus Cyrill Wipf und Philipp Ruppli als neue Vorstandsmitglieder in unserem Verein begrüssen.

Anschliessend an den administrativen Teil der Generalversammlung widmeten wir uns dem Kontext der hiesigen Lokalität. Obwohl Gärtner Hans Weber nach seiner Pensionierung einige seiner Gewächshäuser an Flora Futura weitergeben konnte, fand er für einen Grossteil seiner restlichen Gewächshäuser keinen Nutzen mehr. Als Dominic Meister (Dost Architektur) ihm ein Kaufangebot für das Grundstück machte, konnte er nicht ablehnen. Selbst wollte Hans Weber nicht als Bauherr auftreten, ein Verkauf schien ihm das einfachste.


Nachdem das Grundstück nach einer neunjährigen Planungszeit auf Grundlage eines Quartierplans umgezont wurde, konnte vor kurzem das Baugesuch für ein verdichtendes Wohnbauprojekt eingereicht werden. Das Projekt soll eine Alternative zur traditionellen Einfamilienhausstruktur bieten. Das Richtprojekt sieht sieben längliche Gebäude mit zwei Wohngeschossen und Dachterrasse vor, wobei der Bezug zur umliegenden Landschaft durch Freiräume und Sichtachsen betont wird. Neben privaten Aussenräumen sind gemeinschaftliche Begegnungs- und Spielflächen sowie zwei Tiefgaragen geplant. Den Architekten war es wichtig, mit dem Projekt zur Aufwertung des Dorfbildes und Förderung der Ortsgemeinschaft beizutragen. Der vielfältige Wohnungsmix schafft Raum für ein diverses Nutzerprofil und berücksichtigt verschiedene Bedürfnisse. Besondere Sorgfalt gilt der Eingliederung der Neubauten ins denkmalpflegerisch geschützte Ortsbild, wobei die Bauvolumen in ausreichendem Abstand zu den historischen Gebäuden stehen und eine sich unterordnende Architektursprache aufnehmen.

↑ Der rot markierte Bereich wird bald überbaut. Quelle: Dost Architektur GmbH

↑ Visualisierung der neuen Wohnüberbauung. Quelle: Dost Architektur GmbH
Unser nächster Programmpunkt an jenem Abend wurde unter anderem unterstützt durch die Firma Hortima AG, einem Schweizer Unternehmen, das sich auf den Grosshandel mit Gartenmaterial für Baumschulen, Gartenbaubetriebe und Obstbauern spezialisiert hat. www.hortima.ch Wir sagen herzlichen Dank!

Wo nächstens Hofens neuer Dorfteil entsteht, hat die Zukunft schon begonnen. Seit 2022 produziert Flora Futura Pflanzen, die auch mit dem zukünftigen Klima zurechtkommen. Also beispielsweise mediterrane Gewächse, die Trockenheit gut vertragen, erklärten die florafutura-Gründer den SCHARF-Mitgliedern – während der Regen gerade sintflutartig auf die Treibhäuser prasselte.
Sie sind gekommen um zu bleiben. Und sie breiten sich weiter aus. Auf Kosten der Einheimischen. Was nicht von allen gern gesehen wird. Die Rede ist hier nicht von Menschen, sondern von nicht-einheimischen Pflanzenarten. Invasive Neophyten, so die verbreitete Meinung, gilt es zu bekämpfen. Das ist beispielsweise auf der Website der Organisation Pro Natura ebenso nachzulesen wie in einer Broschüre der Eidgenössischen Fachkommission für biologische Sicherheit. «Früh erkennen – sofort handeln», heisst es da.
Nun gibt es tatsächlich Neophyten, die als Ackerunkräuter der Landwirtschaft zusetzen oder die Biodiversität bedrohen. Doch die Umweltwissenschafterin Sunna Seithel vertritt eine weniger dogmatische Sicht: «Es ist falsch, jegliche nicht-einheimischen Pflanzen abzulehnen. Wir sind doch angesichts des Kimawandels verpflichtet, die Eignung neuer Pflanzen auszuprobieren». Man sollte Ökosysteme nach ihrer Funktion und ihren Dienstleistungen beurteilen und nicht nach der Frage, ob die Pflanzen darin einheimisch oder gebietsfremd sind, ergänzt der Ökologe Vincent Fehr. «Entscheidend für resiliente Ökosysteme ist nicht die Herkunft der Arten , sondern die biologische Vielfalt». Was beispielsweise heissen kann: Nicht der Kirschlorbeer an sich ist das Problem, sondern die menschengemachten Monokulturen.
Fehr bezeichnet sich als leidenschaftlichen Gärtner, gleichzeitig forscht er aber an der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft WSL. Sein Thema: Die ökologische Rolle nicht-einheimischer Arten in Zeiten des Klimawandels. Konkret geht es etwa um die Eignung mediterraner Gehölze, aber ebenso um Fruchtpflanzen oder resistentere Waldbäume. Auch Seithel ist weiterhin in der Nachhaltigkeitsforschung und -beratung tätig. «Der Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis ist angesichts des Klimawandels zentral. Deshalb wollen wir so lange wie möglich zweigleisig fahren», betonen beide.
Fehr und Seithel beraten Landschaftsarchitekten, Behörden, Botanische Gärten, aber auch Privatpersonen zu Themen rund um eine zukunftsträchtige Pflanzenverwendung. Dafür züchtet florafutura ein spezielles Sortiment. Fehr erklärt: «Wir sind eine Raritätengärtnerei. Ein grosser Teil unserer Pflanzen wird in der Schweiz noch selten oder gar nicht angeboten. Es sind Stauden oder Gehölze, die mit der Klimaerwärmung gut klarkommen sollen. Wir experimentieren auch mit seltenen Sorten exotischer Fruchtpflanzen wie etwa Granatäpfeln, die bei uns ausreifen». Wobei Exotik an sich nicht das Ziel ist. Auch weniger bekannte Pflanzenarten aus wärmeren oder trockeneren Gebieten der Schweiz wie dem Wallis oder dem Tessin hat florafutura im Angebot.
Draussen war es mittlerweile dunkel. Trotz nässe und Kälte genossen die Gäste bei Kerzenschein ein feines Abendessen in Begleitung von gutem Wein und noch besseren Gesprächen. Wir danken allen Beteiligten für diesen gelungen Anlass.

