Präzision in der Planung dank Punktwolken

Das letzte ArchitekturGespräch des SCHARF Schaffhauser Architektur Forum im Winterhalbjahr 2024/25 befasste sich mit der Ausmessung von Bestandesgebäuden. Urs Tappolet präsentierte die digitale Scanmethode. Sie erzeugt Punktwolken und Bilder von eigenartiger Schönheit und Ästhetik.

Text: Manuel Pestalozzi*
Bilder: Pierre Néma

Urs Tappolet mit einer Scan-Dokumentation aus Greifensee (ZH). Die farbigen Kreise repräsentieren Scanner-Standorte innerhalb und ausserhalb einer historischen Liegenschaft.

Urs Tappolet begann seine Karriere als Hochbauzeichner. Anschliessend bildete er sich zum Zimmermann aus, später zum Holzbauer FH. Neben seinen Holzbau-Beratungsunternehmen gründete er in Rüdlingen (SH) die Firma Punktgenau GmbH, die sich Bauaufnahmen mit digitalen Mitteln widmet. Bauaufnahmen gehören zu Alltagsaufgaben in Planungsbüros – und Urs Tappolet lernte in seiner Erstausbildung einst Zeichnen und Darstellen bei Christian Wäckerlin, der heute Präsident des SCHARF Schaffhauser Architektur Forum ist. Wäckerlin und Tappolet bestritten die Präsentation beim ArchitekturGespräch in der TapTab-Bar in Schaffhausen gemeinsam, in einem generationenübergreifenden Dialog-Modus, sozusagen. Dieser Modus gestand der Kontinuität in der Baukunst und den technischen Neuerungen das selbe Gewicht zu. Hinter den Dialogpartnern mass derweil ein Scanner auf seinem hohen Stativ die Bar aus – punktgenau.

Das Eigenschaftswort punktgenau ist (wie der Name der Firma) leicht irreführend. Dies zeigten Ausführungen von Urs Tappolet: Es geht beim digitalen Scannen von Bestandesbauten weniger um isolierte Fixpunkte, die miteinander verbunden werden, als um riesige Quantitäten von Messpunkten. Der Scanner sammelt sie, indem er rund um sich herum Laserstrahlen auf solide Oberflächen wirft. Auf diese Weise ermittelt er unzählige Positionen in einem dreidimensionalen Rastersystem. Die Punkte bilden im Rastersystem Wolken und machen so Flächen und Konturen erkennbar. Der Scanner speichere in der Tap Tab Bar gerade rund 20 Millionen Punkte, erklärte Urs Tappolet, um die schiere Menge an Messungen fassbar zu machen.

Vorteile des Outsourcings

Die Firma Punktgenau bietet Leistungen an, die für viele Planungsbüro wohl ein Outsourcing bedeutet: Spezialisierte Fachleute erledigen eine Aufgabe, die einst Mitarbeiter eines Architekturbüros selbst mit Papier, Stift und Doppelmeter in Angriff nahm. Wie bei der traditionellen Methode folgen auf die Datensammlung vor Ort Bearbeitungsschritte. Bei der digitalen Methode müssen die Scans, die grundsätzlich raumweise und dann rund um die Gebäudehülle vorgenommen und zusammengeführt werden, wobei in der Regel eine Georeferenzierung stattfindet. Ergänzendes Hilfsmittel ist die Orthofotografie, wie Urs Tappolet erklärte. Anschliessend müssen die Daten in vektorielle Planunterlagen überführt werden – aus der Punktwolke werden in diesem Schritt konkrete, verbindliche Linien, die das Erstellen von traditionellen, vermassbaren Werkplänen erlaubt. Die Bearbeitung wird offenbar bis anhin nicht an die Künstliche Intelligenz delegiert. Aus den Ausführungen des Fachmanns war zu schliessen, dass für die Interpretation der Punktwolken Erfahrungen und Fachwissen angesagt sind, denn nicht alle relevanten Oberflächen sind für den Scanner ohne weiteres erreichbar. Störungen müssen erkannt und «händisch» korrigiert werden.

Die Vorteile des Outsourcings wurden in der Präsentation aufgezählt, sie lassen sich zusammenfassen als die Bereitstellung einer verbindlichen Planunterlage von bestehenden Strukturen, bei denen rechte Winkel und senkrechte Wände oft selten bis inexistent sind. Je nach Bestellungsumfang können die Leistungen von Punktgenau bis zur Erarbeitung eines kompletten digitalen Zwillings gehen, der kompatibel ist mit der digitalen Planungsmethode BIM (Building Information Modeling). Die ermittelten Planunterlagen können allen Fachplanungsunternehmen zur Verfügung gestellt werden. Bei der «analogen» Vermassung kommt es oft vor, dass die Architekten auf eigene Faust nach individuellen Bedürfnissen vor Ort Masse aufnehmen. Der Faktor Zeitersparnis spricht somit für die Punktwolke.

Nach einem digitalen Scan lassen sich durch Punktwolken verborgene Qualitäten hervorheben, beispielsweise die Gewölbe im Rathaus von Stein am Rhein.

Von der Ästhetik zum Konkreten

Urs Tappolet stellte dem Publikum verschiedene Auftragsarbeiten vor. So beispielsweise das Schloss Charlottenfels in Neuhausen am Rheinfall, ausserdem das – aktuell von der Stadt für eine Zwischennutzungen freigegebene ­– Gaswerkareal in Schaffhausen oder der vor dem Abriss verschonte historische Wasserturm bei der ehemaligen Endstation der Werkbahn der Georg Fischer AG, ebenfalls in Schaffhausen. In Stein am Rhein konnte Punktgenau schon mehrere Objekte erfassen. Diese kann die Firma mittlerweile als partielles Stadtmodell auf eine Leinwand zaubern, in der Tab Tap-Bar wurde das vorgeführt. Bei den erfassten Bauten handelt es sich um schützenswerte Objekte, die auf dem Radar der Denkmalpflege sind, womit neben den Planungsunternehmungen eine weitere Nutzergruppe (und potenzielle Finanzierungsquelle) definiert ist. Alle erfassten Gebäude wurden nach den Scans in Punktwolkenmodelle überführt. Diese lassen sich, ähnlich wie eine Computertomographie, scheibchenweise begutachten. Urs Tappolet demonstrierte dies an seinem Laptop eindrücklich. Auf diese Weise können in Schnittsegmenten oder auch in Schnittperspektiven konstruktive Details lesbar gemacht werden, die sich in komplexen historischen Bauwerken sonst nur schwer erkennen liessen.

Eindrücklich war bei der Vorführung die suggestive Ästhetik, die von den Punktwolkendarstellungen ausgehen. Sie ist eigentlich nicht beabsichtigt aber durchaus willkommen. Für diese Schönheit braucht es keine Nachbearbeitung, sie wird durch die Technik automatisch erzeugt – quasi als Nebenprodukt. Die Punkte in den Wolken geben nicht nur eine Position im Raum wieder, sondern auch die Farbe der Oberfläche, welche der Laserstrahl für den Punkt identifiziert hat. Das sublimiert den Effekt, der an einen Airbrush-Sprühstrahl erinnert. Die Standorte des Scanners sorgen in der dreidimensionalen Darstellung für helle Flecken, was im ätherisch wirkenden Punktwolkenbild als Lichteffekt wahrgenommen wird. Die Schönheit hat auch ihren Preis, was in der abschliessenden Diskussion nicht verheimlicht wurde. Die Kosten für einen Scan- und Modellierungs-Auftrag hängt unter anderem vom Präzisionsgrad ab, der eingängig bestimmt werden muss. Urs Tappolet wies ausserdem darauf hin, dass für Punktwolken grosse Rechnerleistungen erbracht werden. Das Verfahren und die Bearbeitung beanspruchen ausserdem beträchtliche Speicherkapazitäten. Auch das macht die Erzeugung und die Bändigung von Punktwolken zur Aufgabe für spezialisierte Unternehmen.

* Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma Bau-Auslese Manuel Pestalozzi