Alle vier Jahre vergibt Betonsuisse Preise für herausragende Bauten. 2025 wurden erstmals auch Ingenieurwerke einbezogen. Die Wanderausstellung zum Betonpreis ’25 gastierte auf Einladung von Scharf im September in Schaffhausen. Zudem stellten zwei Preisträger ihre prämierten Arbeiten in Referaten vor, nämlich Daniel Penzis von PENZISBETTINI Architekten die Erweiterung der Kantonsschule Limmattal in Urdorf und Diego Somaini von Fürst Laffranchi Ingenieure die Erneuerung des Saaneviadukts in Gümmenen.
Die Veranstaltungseinladung finden Sie hier: Ausstellung Betonpreis 2025 mit zwei Veranstaltungen
Text: Caspar Heer
Scharf-Präsident Christian Wäckerlin und Architekt Roman Giuliani führten bei der Vernissage durch die Ausstellung. Beton als Baustoff wird heute wegen der hohen CO2-Belastung kritisch gesehen. «Die vielen Diskussionen um die Nutzung des Betons sind sicher berechtigt, aber nicht immer gerecht», meinte Giuliani. Doch sie haben auch die Ausrichtung des Betonpreises verändert. Ökologische Kriterien spielen heute bei den Auszeichnungen eine zentrale Rolle: Er wird für Bauwerke vergeben, wo das leistungsfähige Material nicht einfach für oberflächliche Effekte, sondern zweckmässig, verantwortungsvoll und gestalterisch überzeugend eingesetzt wird. Und dies ist gerade bei Ingenieurbauten oft der Fall.
Im Fokus standen neben vier Hochbauten diesmal drei unterschiedliche Brücken: der auf Doppelspur erweiterte Eisenbahn-Viadukt über die Saane bei Gümmenen, die dreiteilige Bogenbrücke in Aarau und die asymmetrische Fussgängerbrücke bei Bondo im Bergell. Es sind Zweckbauten von verblüffender Eleganz.
Beim Saane-Viadukt erwies sich die Betonkonstruktion als einzige Möglichkeit, das historische Bauwerk für die Belastungen des neuen Eisenbahnzeitalters aufzuwerten. Auf die massive Natursteinkonstruktion wurde ein Stahlbetontrog gelegt, der auf beiden Seiten auskragt, von weitem aber filigran wirkt. «Mich beeindruckt der denkmalpflegerische Umgang: Extrem fein gemacht», schwärmt Giuliani. «Die Landschaft wirkt fast schöner mit der Brücke. Das ist ein Kompliment an die ursprünglichen Erbauer wie auch an die Erneuerer».
Die neue Stadtbrücke in Aarau kommentiert Wäckerlin mit den Worten: «Das Formale wirkt hier sehr dominant. Dabei zeigt sie aber einen klaren Bezug zur Geschichte dieses Aare-Übergangs». Beispielsweise, indem sie auf den schmalen Fundamenten der Vorgängerbrücke aufbaut, wodurch die Wände in der Mitte nach aussen und an den Enden nach innen geneigt sind. Nicht nur dadurch wirkt die Brücke lebendig, sondern auch wegen der Raumgestaltung unter der Fahrbahn: Die Pfeiler sind mit grossen Ellipsen durchbrochen, was Material spart und eine überraschende Transparenz erzeugt. «Es ist ein schönes, ausgefeiltes Kunstwerk», urteilt Roman Giuliani, der auch auf das sorgfältige Schalungsbild hinweist. «Bei Infrastrukturbauten fliesst das Geld noch eher, was eine handwerkliche hochstehende Ausführung begünstigt».
Neue Akzente in die Bergeller Landschaft schaffen die Brücken bei Bondo, wo 2017 ein gewaltiger Bergsturz die Übergänge, Strassen und Gebäude zerstört hat. Für die Schutzverbauungen entlang des Bachbetts verwendete man die herabgestürzten Gesteinsbrocken, ebenso für den Beton der Brücken. Diese wurden höher gelegt, um neuerlichen Katastrophen vorzubeugen. Besonders spektakulär ist der Fussgängerübergang, eine talwärts gekrümmte Bogenbrücke, die das Bachbett mit einer Weite von 50 Metern überspannt – eine elegante Konstruktion, die so nur in Beton zu realisieren war, aber doch als Fortsetzung der lokalen Bautradition gedeutet werden kann.
Offen und flexibel: Kantonsschule Limmattal
Zu den Preisträgern im Hochbau gehören PENZISBETTINI. Architekten mit ihren Ergänzungsneubauten der Kantonsschule Limmattal in Urdorf. Daniel Penzis stellte das Projekt vor, das 2016 mit einem offenen Wettbewerb initiiert wurde: «Wir wollten den Inselcharakter durchbrechen und die Schule als Teil des öffentlichen Raumes neu positionieren. Um möglichst viele zugängliche Flächen freizuspielen haben wir uns für zwei starke Gebäudevolumen entschieden».
Im einen Gebäude sind die Naturwissenschaften beheimatet, im andern zwei Turnhallen und die Aula. Beides sind «Häuser ohne Kern», führte Penzis aus. Der Naturwissenschaften-Trakt ist ein Gerüst aus vorgefertigten Betonstützen und -trägern mit Zwischenwänden in Leichtbauweise. So ist man langfristig flexibel bei der Raumeinteilung. Das sei wichtig, denn bereits in der vierjährigen Planungsphase hätten sich gewisse Bedürfnisse geändert. «Es war uns auch ein Anliegen, dass die Konstruktion gut ablesbar ist und die Schüler das Haus baulich verstehen. Alles sollte sichtbar sein, von der eingebauten Technik bis zu den naturwissenschaftlichen Sammlungen».
Die Ablesbarkeit gilt auch für den anderen Kubus, der aus drei aufeinander gestapelten Hallen besteht: Unten und oben eine Turnhalle, dazwischen um 90 Grad gedreht die in Holz ausgekleidete Aula. «Diese öffnet sich auf den Platz und verstärkt damit die Präsenz der Schule im Stadtraum», sagt Penzis. Der Bau ist damit sowohl raumbildend, wie auch Stadtraum-prägend.
Saanenviadukt: Spannungsfeld zwischen TGV und Denkmalpflege
Bei den Brücken von Bondo ging es um die Neugestaltung einer zerstörten Landschaft. Ganz anders beim Saane-Viadukt im Berner Seeland: Hier drehte sich alles um die Frage, wie man ein Baudenkmal von nationaler Bedeutung eisenbahntechnisch ein Jahrhundert voranbringen kann. «Den Anstoss zur Sanierung gab hier der TGV von Bern nach Paris, der damals noch über die Linie nach Pontarlier verkehrte», erklärte Diego Somaini, der das Projekt 20 Jahre begleitete. Doppelspur und Beschleunigung auf 160 km/h waren die neuen Vorgaben für den noch im Dampflok-Zeitalter aus Natursteinen erbauten Viadukt. Zur heutigen Lösung hat ein zweistufiges Verfahren geführt. Bauherrin war die BLS Netz AG, und mit an Bord waren von Beginn an Denkmalpflege und der Heimatschutz. In der ersten Wettbewerbsstufe waren Ideen für diverse Lösungsansätze gefragt, führte Somaini aus und zeigte den weiten Fächer der vorgeschlagenen Varianten auf. Die vier überzeugendsten wurden dann in einer zweiten Wettbewerbsstufe weiterbearbeitet. Die Jury wählte schliesslich das Projekt der Fürst Laffranchi Bauingenieure aus, das konstruktiv überzeugte und einen hohen Wiedererkennungswert hatte.
Somaini erklärt: «Wir haben die ganze Länge von den Bahndämmen über die Bogenbrücken bis zum Stahlfachwerk betrachtet und den Rhythmus beibehalten». Gestaltung und Bahntechnik in Einklang zu bringen, sei allerdings nicht immer trivial gewesen. So mussten wegen der höheren Geschwindigkeit die Kurvenradien beim Übergang zur Brücke erweitert und deshalb Stützpfeiler verstärkt und Bahndämme verbreitert werden, und das während des laufenden Bahnbetriebs. Am Schluss wurde ein vorfabrizierter Stahlbetontrog auf die Natursteinpfeiler gelegt, der zwei Schienenstränge aufnahm und seitlich über die Stützpfeiler hinausragt. Ausserdem ersetzte man das alte 65 Meter lange Stahlfachwerk über dem Fluss – und das alles in nur fünf Wochen.
Vorbild für Brücken in der Region Schaffhausen?
Was lässt sich aus der Sanierung des Saaneviadukts für vergleichbare Brückenbauwerke in unserer Region ableiten? Mit dieser Frage leitete Scharf-Vorstandsmitglied Peter Sandri eine Diskussion ein, zu der auch Benjamin Thommen, Bauberater der Zürcher Denkmalpflege, eingeladen war. In Schaffhausen ist das Thema deswegen aktuell, weil die SBB nächstens die Bahnbrücke nach Feuerthalen sanieren will. Wäre da mehr als die Erhaltung des Bisherigen denkbar, beispielsweise die Ergänzung mit einem Fussgängerübergang?
«Eine Schwierigkeit ist, dass Verfahren für Bahnerneuerungen von kantonalen Prozessen entkoppelt sind», meinte Thommen. Die kantonalen Denkmalpflegen würden zwar angehört, aber die Bewilligung werde durch das Bundesamt für Verkehr erteilt. «Die Weichen werden meist schon im Vorprojekt gestellt», weiss Somaini. «Hier liegt es am Bauherrn, interessierte Kreise abzuholen». Der Raum für Interventionen sei aber eng, weil der Betrieb bei einer solchen Brückenkonstruktion absolut im Vordergrund stehe. Gerade deswegen hätten Ingenieure andere Anspruchsgruppen oft gar nicht auf dem Radar. Ihnen allein alle Entscheidungen zu überlassen wäre verfehlt, darin war man sich einig. Denn historische Brücken sind oft Ingenieur-Kunstwerke mit einer prägenden Präsenz in der Landschaft. Beispiele in der Region gibt es gleich mehrere, nebst Schaffhausen die Eisenbahnbrücken von Hemmishofen, Ossingen und vor allem Eglisau.
Bilder dieser Veranstaltung werden in Kürze hier als Galerie gezeigt.