Jubiläumsveranstaltung vom Mittwoch, 20.08.2025: Denkmalwerte heute und morgen

Das SCHARF Schaffhauser Architektur Forum feierte sein 20jähriges Jubiläum an drei Augustabenden im ehemaligen Gaswerkareal der Rheinstadt. Den Anfang machte die öffentliche Veranstaltung «Zukunft Denkmalpflege». Es kam zu einer breiten Auseinandersetzung mit dem Thema. In ihrem Zentrum stand der SAFFA-Pavillon der Schaffhauserin Berta Rahm (1910-1998).

Die Einladungen zu den Jubiläumsveranstaltungen finden Sie hier: SCHARF Jubiläumsveranstaltungen vom 20. – 22. August 2025 im ehemaligen Gaswerkareal

Text: Manuel Pestalozzi*
Bilder: Pierre Néma (1) und Manuel Pestalozzi (2-4)

Das Gaswerkareal von Schaffhausen steht seit Frühling 2025 leer. Bis Massnahmen zur Aufwertung der Rheinuferpromenade umgesetzt werden, steht das rund 15’000 m² grosse Areal für Zwischennutzungen zur Verfügung.

Die Veranstaltung in der grossen Halle des Gaswerkareals hatte einen direkten Bezug zur Ausstellung «Was War Werden Könnte: Experimente zwischen Denkmalpflege und Architektur», die noch bis am 14. September 2025 im S AM Schweizerischen Architekturmuseum in Basel zu sehen ist. Deren Botschaft respektive der Input von Auswärtigen sollte mit einer aktuellen Schaffhauser Geschichte «vernetzt» werden – so brachte SCHARF-Präsident Christian Wäckerlin in seiner Einführung Ziel und Absicht des Anlasses auf den Punkt.

Die Professur für Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich von Prof. Dr. Silke Langenberg setzt sich breit mit der Behandlung von Bestandsbauten auseinander, unter anderem auch in Büchern. Sie kuratierte die Ausstellung im S AM mit.

Bewahren ist fortschrittlich

Die «Auswärtige», welche mit ihrem Referat den Anfang machte, setzt sich seit Jahren intensiv mit Bestandsbauten auseinander. Prof. Dr. Silke Langenberg hat an der ETH Zürich die Professur für Konstruktionserbe und Denkmalpflege inne. Die «Denkmalwürdigkeit» ist dort nur ein Aspekt der Auseinandersetzung. Mindestens so wichtig ist eine generelle Prüfung des gebauten Bestands auf ihre Zukunftstauglichkeit – namentlich im Zusammenhang mit dem sparsamen Verbrauch von Ressourcen. «Nur ungefähr fünf Prozent des gebauten Bestands steht unter Denkmalschutz», gab Prof. Langenberg zu bedenken. Wenn das Ziel die Schonung der Ressourcen ist, fallen sie kaum ins Gewicht. Und weil sie schon bei diesem Trendthema war, rupfte sie gleich auch ein Hühnchen mit dem ebenso trendigen zirkulären Bauen. «Dieses Schlagwort ist eigentlich ein Euphemismus für Abbruch», meinte sie. In ihrer Professur geht es darum, Bestandsbauten in die Zukunft hinüberzuretten. Junge Menschen erlernen hier, die Reparaturfähigkeit des Bestandes zu erkennen und entsprechende Massnahmen zu entwickeln. So nahm sich ein Team das Berghotel Schatzalp in Davos vor. Es restaurierte Hotelzimmer – grundsätzlich mit Materialien, die sie im Hotel vorfanden, teilweise aber auch mit Käufen bei tutti.ch und Konsorten. Der Aspekt Denkmalpflege spielt im Sinne einer Wertschätzung bestehender Materialien und Konstruktionslösungen hier natürlich doch eine Rolle. Das Resultat des Projekts repräsentiert die Epoche der Entstehungszeit wie auch die anschliessende Veränderung des Baus. Das Heute widerspiegelt sich bei diesen hergerichteten Hotelzimmern in der Neuerweckung des Gestern. Man fragte sich beim Zuhören, ob diese Haltung wirklich Schule machen, ob sich ein entsprechender Aufwand tatsächlich rechnen kann. Ähnliche Bedenken lösten die Erläuterungen über die Bewahrung von Bauten aus den Boom-Jahren (ca. 1950-1999) aus. «Sie bilden den grössten Teil des Bestands», begründete Prof. Langenberg das Interesse an ihnen. Sie sprach in ihrem Referat unter anderem über die Reparatur von High-Tech-Fassaden mit Ersatzteilen aus dem 3D-Drucker. So lasse sich verhindern, dass ganze Fassaden ersetzt werden. Den letzten Teil ihres Referats widmete Prof. Langenberg doch noch unmittelbar der Denkmalpflege; sie legte dar, wie sich die Wertung von Objekten und der Blickwinkel auf sie verändern können. Aktuell gibt es Diskussionen darüber, an wessen Vergangenheit Baudenkmäler erinnern sollen. Dabei wird das Wort Denkmal wörtlich genommen: Nicht das Material und die Machart sind Kriterien, sondern der historische und der aktuelle symbolische Wert. Im Fokus der Diskussion stehen Randgruppen, die nach der Meinung Mancher zu wenig respektiert und gewürdigt werden. Ein Vertreter der Radgenossenschaft der Landstrasse (Interessenvertretung von Jenischen) wurde um die Nennung eines Baudenkmals für seine Minderheit gebeten. Er nannte die Rheinbrücke bei Koblenz (AG). Sie erinnert an die Rückweisung von Flüchtlingen im Zweiten Weltkrieg. Prof. Langenberg wies darauf hin, dass diese Brücke bereits Schutzobjekt ist.

Ein Baugespann auf dem Hof des Gaswerkareals markiert einen der anvisierten Standorte des SAFFA-Pavillons von Berta Rahm.

Ein Denkmal verstehen

Die Ausführungen von Prof. Langenberg erwiesen sich als ausgezeichnete Vorbereitung für das Folgereferat von Architektin Marca Netzhammer. Sie erzählte von ihrer Auseinandersetzung mit dem SAFFA-Pavillon von Berta Rahm. Die Architektin, Verlegerin und Autorin Berta Rahm (1910-1998) verbrachte ihre Jugend in Hallau und gründete später in Schaffhausen einen Verlag. Für die Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) von 1958 in Zürich entwarf sie einen kleinen, eleganten Pavillon als Lese- und Ruheraum – ein Annex zum Club Pavillon nach Plänen des Italieners Carlo Pagani. Über ein halbes Jahrhundert nach der Ausstellung wurde der Kleinbau in einer Champignonfabrik in Gossau (ZH) «entdeckt». Die Zweitnutzung war wieder ein Rückzugsraum, dieses Mal für die Mitarbeitenden der Fabrik. Berta Rahm baute den Pavillon für den Standort und die Nutzung um. So ergänzte sie ihn mit einer Küche. Der Verein ProSaffa1958-Pavillon konnte dieses Providurium in Besitz nehmen. Er sorgte 2021 für seine sorgfältige Zerlegung und Einlagerung. Nun wird nach einem passenden Standort gesucht. Manche wünschen sich den Pavillon in Schaffhausen – schliesslich war Berta Rahm Schaffhauserin und hatte einen engen Bezug zum Kanton und zur Stadt. Zwei Standorte in der Stadt stehen aktuell im Vordergrund: die Munotwiese und das Gaswerkareal.

Marca Netzhammer setzte sich mit dem Pavillon und diesen Standort-Vorschlägen näher auseinander. Sie ermittelte Positionierungen und Ausrichtungen des Pavillons, welche die architektonischen Absichten von Berta Rahm bestmöglich respektieren und erlebbar machen. Am Standort Gaswerkareal wurde einer von Netzhammers Vorschlägen bereits mit einem Gespann ausgesteckt. Die Architektur des Pavillons geht auf die Topographie der bisherigen Standorte ein. Ist das in Schaffhausen auch möglich? Solche Fragen sind, folgte man den Ausführungen von Marca Netzhammer, noch offen, auch die Nutzungskonzepte sind noch reichlich diffus: ein Gastronomiebetrieb? Ein öffentliches WC? Die aktuelle Situation der Schaffhauser Bewerbung um den SAFFA-Pavillon bezeichnete die Architektin als Abfolge von Fortschritten und Rückschlägen.

An der abschliessenden Diskussion beteiligten sich (v.l.n.r.) Alex Zahler, Architekt BA ZFH, SCHARF-Vorstandsmitglied, Sonja Flury, MSc Arch ETH, Verein ProSaffaPavillon1958, Prof. Dr. Silke Langenberg, Lehrstuhl für Konstruktionserbe und Denkmalpflege der ETH Zürich, Flurina Pescatore, Kantonale Denkmalpflegerin Schaffhausen und als Moderator Caspar Schärer, Architekt, Journalist und Generalsekretär des Bund Schweizer Architekten (BSA).

Denkmalpflege heute: sämtliche Bedeutungsebenen bewahren

Eine abschliessende Podiumsdiskussion befasste sich nochmals mit der aktuellen Definition von Denkmal und Bau-Denkmal. Moderator Caspar Schärer sorgte dafür, dass die Situation im Kanton Schaffhausen im Zentrum blieb. Denkmalpflegerin Flurina Pescatore meinte, sie sehe den Kanton vor neuen Herausforderungen, da er nun etwas verzögert vom allgemeinen Bauboom erfasst werde. Viele in der Bevölkerung verfolgten das aufmerksam und mischten sich auch mit ganz unegoistischen Motiven ein. «Es gibt gottlob eine breite Diskussion», meinte sie. Das zivilgesellschaftliche Engagement kombiniere den Heimatschutz mit dem Naturschutz, das gehöre im Umgang mit dem Ort zusammen. Das vertiefte Wissen und der ausgebildete Nachwuchs, der an Professuren wie jener von Prof. Langenberg erzeugt wird, seien in diesem Kontext sehr willkommen. Die Runde war sich einig, dass vor allem praktisches Wissen bei der Argumentführung rund um die Denkmalwürdigkeit von Bestandsbauten wichtig ist.

Unweigerlich musste das Gespräch mit dem SAFFA-Pavillon enden. Es ist offensichtlich, dass das zerlegte Gebäude sowohl für die baukulturelle Denkmalpflege wie auch den symbolisch aufgeladenen Denkmal-Gedanken von Relevanz ist. Der Pavillon soll der Autorin, ihrer Rolle als Frau in einem männlich dominierten Umfeld gedenken. Sonja Flury, Co-Präsidentin im Verein proSaffa1958-Pavillon und noch Besitzerin der gesicherten Bauteile des SAFFA Pavillons, bemerkte, dass die Rettung die Geschichte liefert und die Bedeutung generiert, an die man sich heute erinnert. Prof. Langenberg brachte in diesem Zusammenhang den Begriff «fliegende Bauten» ein, die, analog zu Schiffen oder Flossen, ein Nomadendasein fristen. Sie müssen im Bereich Denkmalpflege um ihren Schutzstatus ringen.

Flurina Pescatore mahnte, dass man darob die baukulturelle und bauhistorische Beweisführung für die Schutzwürdigkeit nicht vernachlässigen dürfe. Es sei wichtig, dass sämtliche Bedeutungsebenen bewahrt würden. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an eine wieder aufgebaute gerettete Schaffhauser Trotte im Museum Ballenberg bei Brienz (BE). Diese sei wegen fehlender Originalkonstruktionen kein Baudenkmal mehr. Alex Zahler brachte als SCHARF-Vertreter noch den zusätzlichen Standort Fäsenstaubpark in die Diskussion ein. Dort könnte er gut in eine Symbiose mit benachbarten Bauten treten, wie er das auch an den früheren Standorten tat. Flurina Pescatore betonte, dass der ursprüngliche Nutzen des Pavillons erkennbar bleiben muss, wenn man die Baukultur und die Erinnerung an die Autorin würdigen möchte. «Es braucht eine Geschichte», meinte sie und machte dadurch deutlich, dass man Bestandsbauten bei einer Erneuerung oder auch einer Rekonstruktion wieder zum Sprechen bringen muss. Schweigen sie, so sind der Denkmalwert und die Mühen dahin. Diese Erweckung muss der Standort Schaffhausen beim SAFFA-Pavillon mit einem stringenten Wiederaufbau-Konzept schaffen.

* Manuel Pestalozzi, dipl. Arch. ETHZ und Journalist BR SFJ, betreibt die Einzelfirma Bau-Auslese Manuel Pestalozzi

Weitere Bilder dieser Veranstaltung werden in Kürze hier als Galerie gezeigt.