Zu seinem 20. Geburtstag organisierte SCHARF, das Schaffhauser Architektur Forum, eine dreitätige Jubiläums-Veranstaltungs-Reihe. Einer dieser Anlässe war die Generalversammlung am 21. August 2025. Mitglieder und Gäste trafen sich auf dem Gaswerkareal Schaffhausen, dem aktuellen Place to Be in Sachen lokale Stadtentwicklung. Das Setting: trotz Nieselregen sommerlich. Die Fazilitäten des eben zu Ende gegangenen Sommertheaters – Bar, Küche, Sonnenzelt und Catering mit allem Drum und Dran – kamen noch einmal zu Nutzen. Und die Erinnerung an Ödön von Horvaths «Kasimir und Karoline» in der grossen Halle klang bei vielen der Anwesenden noch einmal nach.
Die Einladungen zu den Jubiläumsveranstaltungen finden Sie hier: SCHARF Jubiläumsveranstaltungen vom 20. – 22. August 2025 im ehemaligen Gaswerkareal
Text: Cornelia Wolf
Bilder: Pierre Néma

SCHARF hat ein in der Tat jubiläumswürdiges Programm arrangiert. Die eigentliche Generalversammlung für die Mitglieder wird zügig abgehalten. In der grossen Halle steht auch bereits die vielversprechende traditionelle «lange Tafel». Reden, unter anderem von Stadtpräsident Peter Neukomm, stehen auf dem Programm, SCHARF-Hoffotograf und Vorstandsmitglied Pierre Néma hat einen Loop mit Bildern von vergangenen Veranstaltungen zusammengestellt, die Einladungskarten, die um alle vier Wände der grossen Halle montiert sind, beweisen die grosse SCHARF-Aktivität. Als letzter Punkt ist ein Pecha Kucha von SCHARF-Vorstandsmitgliedern angekündigt. Aber am gespanntesten sind die Anwesenden natürlich auf den Rundgang mit Florian Keller und Marina Husistein, Abteilung Immobilien der Stadt Schaffhausen. Sie geben, brandaktuell und quasi prima nocta, einen Überblick über die nun aufgegleiste 8-10jährige Zwischennutzung auf dem Areal.
Dass SCHARF für diesen Jubiläumsanlass den Stadtpräsidenten, zwei Stadträt:innen, einen Regierungsrat, den Stadtplaner, Personen von Fachverbänden, unzählige Architektinnen und Architekten, insgesamt eine interessierte, dem SCHARF freundschaftlich, manchmal auch kritisch verbundene Gesellschaft zusammenbringt, zeugt vom nicht mehr wegzudenkenden Einfluss von SCHARF als Plattform für den Diskurs, die Sensibilisierung, Meinungsbildung, Reflexion und Vermittlung von Architektur- und Baukultur der Stadt und Region Schaffhausen.

Durch den Abend:
Führung mit Infos – Florian Keller und Marina Husistein, Abteilung Immobilien Stadt Schaffhausen

Um das Areal, wie es sich präsentiert, besser zu verstehen, lohnt sich Marina Husisteins kurzer Blick zurück auf die Geschichte des Gaswerkareals als Produktionsstätte, die Anforderungen aus den chemischen Prozessen, Lagerung und Logistik vereinen musste. Das Gaswerkareal war Teil des städtischen Gas- und Wasserwerks, das 1899 entstand und bis 1996 bestand, bevor es in die Städtischen Werke (heute SH Power) aufging. Bis Ende April 2025 wurde das Areal von SH Power genutzt und per 1. Mai 2025 übernahm die Abteilung Immobilien der Stadt Schaffhausen die Liegenschaft. Somit sind wir in der Gegenwart, und Florian Keller übernimmt das Wort. Zentrales Element der weiteren Entwicklung des Areals – und somit des Rheinufers – ist die Teil-Verlegung der Rheinuferstrasse über die Buchtalerstrasse. Diese wurde von der Schaffhauser Stimmbevölkerung mit wuchtiger Mehrheit angenommen. Eine wichtige Grundvoraussetzung für den grossen Stadtrat zur Ausarbeitung der weiteren Projekte. «Das braucht nun Zeit und gibt dem Areal eine gewisse Verschnaufpause», sagt Keller. Über diese Pause, aka Zwischennutzung, soll heute vor allem geredet werden.

Die Zwischennutzung ist eine Chance für das Areal, sie belebt es und macht kulturelle Projekte möglich, die es sonst nirgends gäbe, sagt Marina Husistein. 30 sinnvolle und attraktive Nutzungseinheiten wurden gebildet und öffentlich ausgeschrieben. (https://www.stadt-schaffhausen.ch/_docn/5661877/Ausschreibung_Zwischennutzung_Gaswerkareal.pdf). Von rund 150 Interessierten haben sich dann 50 für eine Miete beworben. Die Qual der Wahl für das Auswahlgremium, bestehend aus Iris Vollenweider, Expertin für Um- und Zwischennutzungen, Zürich, Roger Staub, City Manager Schaffhausen, Marcel Angele, Stadtplanung Schaffhausen, Florian Keller und Marina Husistein, Immobilien Stadt Schaffhausen. Ziel waren ein breiter Mix mit einem guten Angebot an öffentlich zugänglichen Nutzungen, eine effiziente Ausnützung der Flächen, Kreativität, umsetz- und finanzierbare Ideen und nicht zuletzt die Bereitschaft zu Gemeinschaftlichkeit und Teilung der Ressourcen. Dass alle Gebäude erhalten bleiben müssen, steht ausser Frage. Für die Verwaltung laufen Gespräche mit einem Kollektiv, das Erfahrung mit Zwischennutzungen hat und im Schaffhauser Kulturbetrieb verankert ist. Florian Keller ist überzeugt, dass es diesem Kollektiv gelingen wird, die Nutzerschaft zu koordinieren und «eine gute Klammer um das Ganze zu machen.»
Am 12. August 2025 hat der Stadtrat die Auswahl dieser Nutzungen/Nutzer bestätigt:
- Sauna- und Wellnessbereich in der Direktionsvilla (direkte Miete von der Stadt)
- Ein Schauspieler mit Affinität zu Literatur nutzt einen Zirkuswagen
- Ateliers und Übungsräume für experimentelle Musik
- Ein Frauenkünstlerinnentrio
- Fotostudio, Spielbörse, Musikbibliothek, Pflanzenbörse, Computer-/Spielesammlung
- Gastrobetrieb mit Raum für Ausstellungen
- Verwaltungsbüro
- Vorproduktion Küche sowie Experimente mit Food und Getränken
- Brauerei
- Lagerflächen, Skate- und Bewegungshalle (Kampfsport etc.)
- Unterstand für einen kleinen, mietbaren Arealbus
- Sanitäranlagen
- Open Space (in der grossen Halle) für verschiedene Veranstaltungen. Dreh- und Angelpunkt für alle Nutzenden.
- Übungsraum für zwei Bands
- Kaffeerösterei
- Gemeinschaftswerkstatt
- Möbelwerkstatt/-restauration, auch mit sozialem Auftrag
- Zur Gaskugel betreibt jemand eine Studie über die weitere Verwendung.
- Lagerraum für die Stadt für den Eigengebrauch und zur Vermietung
- Die Nutzung des Aussenraums ist noch nicht fertig geplant. Der Saffa-Pavillon https://www.prosaffa1958-pavillon.ch soll dort zu stehen kommen (Visiere auf dem Hof zeigen bereits das Gebäudevolumen), ein Architekturbüro möchte seinen Büro-Elementbau erstellen, eine «Kinderbaustelle» könnte kommen, und ein Campingplatz kann zwei Monate lang den Betrieb testen. Einige Parkplätze werden vorgesehen.
Den Ausführungen von Florian Keller und Marina Husistein wird mit grösstem Interesse gefolgt. Befürchtungen bezüglich Altlasten auf dem Areal kann Keller zum jetzigen Zeitpunkt entkräften. Jemand würde die Zwischennutzung am liebsten definitiv wissen – wo sollen die Nutzenden nach Ablauf der Frist hin? Von Seiten Immobilienabteilung ist man sicher, dass sich neue Möglichkeiten auftun werden.
Willkommenswort von Stadtpräsident Peter Neukomm

«20 Jahre SCHARF und noch kein bisschen stumpf!» Mit diesen Worten gratuliert Stadtpräsident Peter Neukomm dem Architektur Forum zum Jubiläum. SCHARF habe sich in den letzten zwei Jahrzehnten in keinster Weise abgeschliffen. Er nehme es nach wie vor als ambitioniert, leidenschaftlich und vielseitig wahr. Neukomm lobt diese Eigenschaften, weil die Beteiligung der Menschen, die hier leben, zentral sei, damit die Ziele der Legislaturperiode 2025-2028 unter dem Motto «Ambitioniert unsere Stadt gestalten – gemeinsam für heute und für morgen» gelingen. Der SCHARF-Input dazu werde ernst genommen, «auch wenn der Diskurs darüber, welches der richtige Weg ist, kontrovers sein kann», so Neukomm. Sein Wunsch für die Zukunft: «Behaltet eure Leidenschaft für eine qualitativ hochwertige und nachhaltige Siedlungsentwicklung, bleibt mit uns zusammen am Ball darüber, wie sich Schaffhausen verändern soll, begleitet diese Transformation weiterhin kritisch und konstruktiv. Eure Vermittlungs- und Sensibilisierungsarbeit hilft auch uns, die Bevölkerung im Prozess mitzunehmen.» Zum Schluss zitiert Neukomm Perikles, einen Staatsmann aus dem antiken Athen (5. Jahrhundert v.Chr.): «Wer an den Dingen seiner Stadt keinen Anteil nimmt, ist nicht ein stiller Bürger, sondern ein schlechter.» In den 20 Jahren habe SCHARF bewiesen, dass es nicht zu den schlechten Bürgern zähle. Dafür dankt er im Namen der Stadt ganz herzlich.
Die «Lange Tafel»

Ohne Worte. Bildschön!
Die lange Bilderwand

Die beiden SCHARF-Vorstandsmitglieder Philipp Ruppli und Cyrill Wipf verweisen auf die gigantische Sammlung von Einladungskarten, allesamt kreiert von Präsident Christian Wäckerlin. Eigentlich habe man sie an die Wände kleistern wollen, das sei aber, grinsen die beiden, von der Immobilienabteilung der Stadt untersagt worden.
Pecha Kucha by SCHARF-Vorstandsmitglieder
SCHARF macht schon länger «Pecha Kucha» (sprich: Petscha-Kutscha») -Veranstaltungen. Zum Jubiläum werden drei Pecha Kuchas zu «Was war», «Was ist», «Was könnte sein» von Vorstandsmitgliedern präsentiert. 20 Bilder, 20 Sekunden … kurz und fokussiert kommentiert.

«Was war»: Roland Hofer und Peter Sandri lassen kurzweilig die herausragendsten, spannendsten Veranstaltungen und gelungensten Weichenstellungen der letzten 20 Jahre Revue passieren. Sie erinnern auch an Filme, die SCHARF nach Schaffhausen geholt hat. Eindrücklich, wenn man so sieht, wie es immer wieder gelungen ist, Referentinnen und Referenten von Rang und Namen zu verpflichten. Chapeau.

«Was ist» wird von SCHARF-Präsident Christian Wäckerlin nicht ganz so eng interpretiert. Er siedelt sein Pecha Kucha eher im SCHARF-konformen «Was wäre, wenn…» an. Und natürlich rückt er dabei den scharfen Dauerbrenner, das Rheinufer, ins Zentrum. Was ist/was wäre, wenn der Rhein nicht mehr abflösse und der Kammgarn den direkten Wasserzugang ermöglichte? Was ist/was wäre, wenn die Basler Tradition der Rheinfähre auch in Schaffhausen Einzug hielte? Wäckerlin veranschaulicht seine Visionen mit eigenen Skizzen und Fotografien und deponiert hier und da, durchaus launig, seine Kritik am Status Quo der Rheinufergestaltung mit Bänkli, Sitzstängeli und Ligusterhecken. Und landet somit doch noch beim Thema: «Was ist».

«Was könnte sein»: Susanne Albrecht und Catherine Blum gelingt ein Coup. Sie präsentieren Schaffhausen, wie es in den 2030er und 2040er Jahren aussehen könnte und nehmen SCHARF-Themen witzig aufs Korn: Re-use und Baustellenbörse 2035, Urban Farming in der Neustadt 2038, Umnutzung Kammgarn West als Popcornproduktionsstätte 2038, Essbare Landschaft 2040, Stadtspaziergang unter dem Titel «SCHARF im Wunderland» 2040 und, grossartig, die Gaskugel mit 20 über Bullaugen zugängliche Wohneinheiten 2044.
Die genialen, fantastisch-surrealen Bildkompositionen liessen Albrecht und Blum grösstenteils von KI generieren. Die Schreibende erlaubt sich deshalb, Chat GPT den folgenden Auftrag zu erteilen: «Schreibe eine Rezension zu einem Pecha Kucha über „Architektonische futuristische Entwicklungen 2036–2046“.
Und Chat GPT antwortet prompt:
Das Pecha Kucha über architektonische Entwicklungen zwischen 2036 und 2046 war ein spannender, visuell ansprechender Einblick in eine mögliche Zukunft der gebauten Umwelt. In dem klar strukturierten 20×20-Format (20 Folien à 20 Sekunden) wurden zentrale Trends wie nachhaltige Hochhausstädte, adaptive Fassadentechnologien und schwimmende urbane Räume eindrucksvoll präsentiert. Besonders hervorzuheben war die gelungene Verbindung von technologischer Vision mit gesellschaftlicher Verantwortung – etwa durch Konzepte wie CO₂-negative Gebäude und modulare Notunterkünfte für Klimaflüchtlinge. Die Sprecher:in führte souverän und pointiert durch das Thema, wobei die Mischung aus realistischen Prognosen und spekulativen Designs für eine anregende Diskussion sorgte. Ein gelungener Beitrag, der zum Weiterdenken anregt und zeigt, wie Architektur aktiv zur Lösung globaler Herausforderungen beitragen kann.
Ja, genau so war das!
Der Abend klingt bei bester Stimmung und grossem Applaus für den Anlass und das stets scharfe SCHARF-Engagement aus.

Weitere Bilder dieser Veranstaltung werden in Kürze hier als Galerie gezeigt.
Folgend Medienberichte im Rahmen unseres 20-jährigen Jubiläums:
→ «Hüt im Gschpröch» mit Christian Wäckerlin vom 19. August 2025
→ Bericht in den Schaffhauser Nachrichten (2-seitiges PDF) vom Freitag, 22. August 2025